Tanz im Mondlicht
ihre Welle brechen, als wäre sie aus Glas. Sie lag auf dem Rücken, während sich die Welle brach, wieder und wieder, und ihre Tränen waren salziger als das Meer, und sie weinte, weil sie sich nach ihrer Mutter und der Ricke sehnte, und als sie nach den herrlichen Delfinen Ausschau hielt, sah sie nichts als Haie.
Als es vorüber war, küsste Zeke sie abermals auf den Mund. Dann rollte er sich auf den Rücken – keine einfache Sache, weil ihre Beine und Hosen gewissermaßen miteinander verschlungen waren. Sie ergriff eine Handvoll Gras, riss es aus der Erde und benutzte es, um sich abzuwischen. Wieder und wieder.
Er setzte sich hin. Dann hörte sie, wie er aufstand, und als sie hochschaute, sah sie, wie er seine Jeans zuknöpfte. Darauf zu warten, dass er ihr half, schien ein völlig sinnloses Unterfangen zu sein, deshalb rappelte sie sich auf und zog Schlüpfer und Jeans hoch. Das Geräusch des Reißverschlusses, der sich schloss, klang barbarisch in der stillen Nacht. Sowohl Zeke als auch sie mieden jede Form des Blickkontakts, als sie wieder angezogen waren.
»Ich schätze, es ist schon spät«, sagte er. »Ich bringe dich besser nach Hause.«
Meinte er, das sei ein Date und sie wären lediglich miteinander ausgegangen? Chloe brachte kein Wort über die Lippen.
»Fertig?«, fragte er. Er zögerte, dann bot er ihr seine Hand. Sie war innerlich zu erstarrt, um sie zu nehmen.
Die Sterne leuchteten heller als je zuvor. Sie entfachten Milliarden Feuer am Himmel. Chloe sah, wie Zeke die Schultern zuckte, als sie es ablehnte, seine Hand zu nehmen. Sie sah, wie er sich den Weg den Hügel hinab bahnte, hörte das Plätschern, als er den Bach durchquerte. Während sie dastand, wie zur Salzsäule erstarrt, hörte sie die Zweige knacken, als er die Böschung hinaufkletterte und durch die Apfelplantage eilte.
»Chloe?«, rief er.
Sie antwortete nicht. Konnte nicht antworten.
»Bis dann«, rief er. Nach ein paar Sekunden hörte sie, wie die Maschine angelassen wurde.
Bis dann. Ihr Mund formte die Worte, aber sie hatte keine Stimme.
Die Sterne brachten ihre Haut zum Leuchten. Sie konnte das Sternenlicht auf ihren Armen und auf ihrem Körper spüren, mitten durch ihr hauchdünnes, durchsichtiges T-Shirt. Als sie sich umdrehte, um einen Blick auf die Ricke zu werfen, sah sie, dass sie davongelaufen war. Ein Schrei löste sich in ihrer Brust. Sie hatte die großen, beharrlichen Augen der Ricke sehen wollen.
Chloe war müde. Sie hätte sich gern hingelegt. Sie ging an der Stelle vorbei, an der Zeke und sie gewesen waren. Es war kein richtiges Nest. Sie sehnte sich nach einem richtigen Nest. Sie sehnte sich nach ihrer leiblichen Mutter. Als sie an die Stelle kam, unweit der Bäume, wo sie die Ricke gesehen hatte, ließ sie sich auf Hände und Knie herab.
Sie fand Einkerbungen in dem hohen Gras. Genau hier hatte die Ricke gestanden. Chloe ging immer wieder im Kreis um die Stelle herum. Sie drückte das Gras nieder, machte ein neues Nest. Sie legte sich auf die Seite, die Beine angezogen, und spürte die Wärme, die sie umgab. Sie stellte sich vor, dass sie von der Ricke stammte, oder von ihrer Mutter, oder einfach nur von der Erde. Es spielte keine Rolle. Es war völlig einerlei.
Und dann begann Chloe zu weinen, und alle Sterne erloschen.
Dylan hielt Wort: Er fuhr mit Jane zum Campus-Ball. Sie stiegen vom Restaurant aus den University Hill hinauf, den Klängen des Tanzorchesters entgegen. Jane war seit beinahe sechzehn Jahren nicht mehr auf dem Brown-Campus herumspaziert – seit sie die Universität im Frühling ihres zweiten Studienjahres verlassen hatte. Als Sylvie vier Jahre später graduierte, war Jane mit ihrer Arbeit in New York »zu beschäftigt« gewesen.
Der Hügel war steil. Jeder Schritt war mühevoll, und sie wusste, dass der Aufstieg Dylan noch schwerer fallen musste. Sie ging langsamer, damit er Schritt halten konnte. Doch die Wahrheit war: Je mehr sie sich der Brown University näherten, desto größer wurde der Druck, der auf ihrem Herzen lastete.
»Was ist passiert?«, hörte sie sich fragen.
»Mit meinem Bein?«
»Ja.«
»Nicht weiter wichtig«, sagte er.
Aber sie wusste, dass es wichtig war, und so ergriff sie die Gelegenheit, anzuhalten und Atem zu schöpfen, während sie ihn lange und abwartend ansah.
»Man hat auf mich geschossen. Die Kugel richtete beträchtlichen Schaden an.«
Seine Stimme klang angespannt, und er schwieg. Er stieg weiter die Angell Street hinauf, und Jane hatte
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