Tanz im Mondlicht
spielte, und die Musik war opulent und romantisch. Sie erfüllte Jane mit Empfindungen, die sie seit vielen, vielen Jahren nicht mehr verspürt hatte. Dylans Hand fühlte sich so fest an. Papierlaternen hüllten die Bäume in ihren sanften Schein. Der Wind raunte in den Blättern.
Er lächelte, zum ersten Mal seit dem Abendessen. Aber es war ein strahlendes Lächeln, heller als sämtliche Laternen in den Bäumen, und es bewirkte, dass Jane es erwiderte. Sie standen einfach da, im Schatten des Turms, und hielten sich an den Händen. Wie waren sie hierhergekommen? Jane und dieser verwundete, zurückhaltende Mann, der zufällig Chloes Onkel war. Jane blinzelte langsam. Er war ein Bindeglied zu Chloe. Sie stellten ein verborgenes Dreieck dar, sie drei.
»Ja«, sagte er, als ob ihn das Geheimnis ihrer plötzlichen Verbindung genauso verblüfft hätte.
Ihr Lächeln vertiefte sich.
Es geschah beinahe ohne ihr Zutun, beinahe unbemerkt. Wie konnte das geschehen, und vor allem so schnell? Sie machten einen kleinen Schritt aufeinander zu. Jane lehnte sich an seine Brust, und er spürte, wie eine Welle der Erregung durch ihren Körper lief, als sei sie gerade zum Leben erwacht. Die Musik war so schön. Sie legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen, und er küsste sie.
Die Papierlaternen verwandelten sich in Sterne. Sie schaukelten wild am Firmament hin und her. Sein Bart fühlte sich gut auf ihrer Haut an. Sie schmolz dahin, verging. Sie hatte gleichzeitig das Gefühl, als könnte sie die Zeit zurückdrehen, als vergingen die Jahre wie im Flug. Sie war Carrie im Turm und gleichzeitig Chloe auf der Apfelplantage. Doch dann spürte sie, wie sich Dylans Hände langsam ihren Rücken hinabbewegten, sie schmeckte seine Lippen auf ihren und wusste, dass er ein Mensch aus Fleisch und Blut war, real, hier bei ihr.
»Tanz mit mir …«, flüsterte er, seinen Mund an ihrem Ohr.
Sie war bereits in seinen Armen. Die Musik hatte sie schon in ihren Bann geschlagen. Sie bewegten sich gemeinsam. Der Tanz war genau wie eine Umarmung, nur dass sich die Füße bewegten. Dylans Hinken verschwand. Sein Bein war makellos, einwandfrei, geheilt. Ihnen war nie etwas Schlimmes widerfahren. Oder alles war ausgelöscht worden, von der Nacht, den Laternen, den Sternen, dem Turm und der Inschrift
Liebe ist so stark wie der Tod
.
Oder stärker, wie Dylan gesagt hatte, bevor sie zu tanzen begannen …
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ZWEITER TEIL
Sterne auf dem Dachboden
Kapitel 17
C hloe war erschöpft. Es kam ihr sonderbar vor, dass es ihr gerade zu Anfang des Sommers schwerfiel, einen Fuß vor die Tür zu setzen, um die Katzen am Abend zu füttern. Genauer gesagt, es war eine Tortur, an die frische Luft zu gehen. Draußen wehte eine leichte Brise, zerzauste ihre Haare, liebkoste ihre Haut, erinnerte sie an eine Berührung. Die Katzen rieben sich an ihr – die vielen Mütter, Väter und ihre Jungen –, miauten und haarten und kitzelten auf der Haut. Obwohl ihr der Körperkontakt zu den Katzen immer gefallen hatte, verspürte sie nun das Bedürfnis, das Füttern so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, um sich wieder in ihrem Zimmer zu verschanzen. Körperkontakt erinnerte sie an besagten Abend vor annähernd einer Woche. An Zeke.
Im Haus war es still, als sie in ihr Zimmer zurückkehrte. Ihre Eltern liebten klimatisierte Räume. Bisher hatte Chloe immer gebettelt, die Fenster öffnen zu dürfen. Wenn sie allein daheim war, war sie meistens durch die Räume gelaufen, hatte die Klimaanlage ausgeschaltet und die Fenster aufgerissen. Jetzt war sie froh über das mechanische Summen, die technologische Kühle. Das ebenmäßige Geräusch brachte die Gedanken zur Ruhe, die ihr unablässig durch den Kopf gingen.
Das Telefon läutete, es war für sie. Chloe hatte tagelang einen großen Bogen um das Telefon gemacht. Mona wollte wissen, wann sie am Obststand arbeiten würden. Freitag, Samstag und Sonntag, erklärte ihr Chloe. Warum hast du nicht angerufen, und wie war das Treffen?, fragte Mona. Das große, streng geheime Plantagen-Rendezvous? War ganz in Ordnung, teilte Chloe ihr schließlich mit. Aber Zeke ist ein Blödmann. Er kann mir gestohlen bleiben.
Das schien Mona zu überraschen. Oder vielleicht war sie nur überrascht, dass Chloe sie nicht postwendend angerufen hatte und dass ihre Worte so gleichmütig und cool klangen: als sei ihr das Ganze völlig egal.
Weil Chloe nichts egal war, wie jedermann wusste. Sie gehörte zu den Mädchen, die
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