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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Östergaard hörte Maria in Französisch ab. Die Aussprache des Mädchens war perfekt, soweit die Mutter es hören konnte.
    Vielleicht sollten sie im Sommer für zwei Wochen ein Haus in der Normandie mieten. Sie hatte die Formulare bereit und ausgefüllt. Das Dorf hieß Roncey, und die Stadt in der Nähe hieß Coutances. Sie war dort gewesen, bevor Maria kam. Die Kathedrale stand auf dem höchsten Punkt, war aber den Bomben entgangen. Es war die einzige Kirche in der nördlichen Normandie, die im Krieg unbeschädigt geblieben war. Sie stand dort und streckte Gott einen Finger entgegen. Sie wollte hineingehen und noch ein Licht anzünden, nach siebzehn Jahren oder wie viele es waren. Eine Dienerin Gottes aus Göteborg und ihre Tochter.
    Sie waren mit den Vokabeln fertig. Das Mädchen las das Stück und übersetzte es dann. Sie beherrschte die Sprache schon besser als ihre Mutter. Sie würde im Dorfgasthaus bestellen müssen. Uni vin blanc, une orange. Würde die Picknickzutaten kaufen müssen für die Stunden an den breiten, leeren Stranden Wenn das Wasser sich zurückzog, glitzerten die Austernbänke in der Sonne. Sie konnten auf dem weißen Sand hinauslaufen und mit den Zehen nach französischsprachigen Krabben wühlen.
    Das Mädchen verschwand aus der Küche. Hanne hörte den Fernseher im Wohnzimmer anlaufen.
    Un vin blanc. Sie machte die Kühlschranktür auf, nahm eine offene Flasche heraus und schenkte sich ein Glas Weißwein ein. Vor Kälte lief das Glas an. Sie trank einen kleinen Schluck. Er war zu kalt. Sie stellte das Glas hin und ließ die Flasche auf der Arbeitsplatte stehen.
    Es war Donnerstag abend. Das Thermometer stand bei minus drei. Vorige Woche sind die Krokusse gekommen, und nun gefrieren sie zu Eis, dachte sie. Die Frage ist, wie das dem Sommerflieder bekommt.
    Sie hörte wieder Sirenen vom Korsvägen unten. Das ist wie ein Trainingslager dort unten, dachte sie.
    Morgen würde Maria mit der Handballmannschaft in ein
    Trainingslager fahren, übers Wochenende. Hanne freute sich auf das Alleinsein. Ein freies Wochenende, so ungewöhnlich für eine Pfarrerin. Sie würde ins Kino gehen, lesen, eine Fischsuppe kochen, sich in mehrere Schichten kleiden und die große Runde um Delsjön gehen und mit einer roten Hitze im Gesicht, die den ganzen Abend bleiben würde, nach Hause kommen.
    »Hast du den Trainingsanzug geflickt?« rief das Mädchen vom Fernsehsofa.
    »Jaaa.«
    »Das weiße Sweatshirt, ist das gewaschen?« »Alles, willst du mehr, mußt du herkommen.« »Was?«
    »WILLST DU MEHR, MUSST DU HERKOMMEN.«
    Sie hörte die Tochter drinnen vor sich hin kichern, wieder gefesselt von einem Familiendrama.
    Die Woche war schwierig und bedrückend gewesen, sie hatte ihre Tätigkeit diese Woche nicht in den Griff bekommen. Sie kam von den Treffen mit den Polizisten nicht los.
    Ein Verkehrsunfall am Dienstag, die Gespräche danach.
    Eine große Müdigkeit am selben Nachmittag, das konnte eine von den jüngeren Frauen dazu bringen, die Arbeit aufzugeben. Sie hatte gesagt, daß sie immer müde war.
    War das eine Arbeit für Frauen? Genauso könnte man freilich sagen, daß es auch keine Arbeit für Männer war, dachte Hanne. Es war keine Frage der Muskeln, der Körpergröße. Es war eine Frage an alle. Manchmal hatten sie Zweifel, ob es eine Arbeit für Menschen war.
    Sie stand auf und ging zur Tochter hinein.
    »Ich nehme ein Bad«, sagte sie, »du mußt ans Telefon gehen, wenn es läutet.«
    Das Mädchen nickte, die Augen auf dem Drama. Hanne warf einen Blick auf den Bildschirm. Vier Personen redeten gleichzeitig. Alle sahen aufgeregt aus. Eine Familie.
    Sie nahm das Weinglas mit ins Bad. Sie setzte den Stöpsel ein und mischte das Wasser heiß, zog sich aus und legte Kleidungsstück für Kleidungsstück in den Wäschekorb. Sie trank ein wenig Wein und stellte das Glas auf den Badewannenrand, wandte sich um und blickte in den hohen Spiegel auf der Innenseite der offenen Schranktür.
    Sie trat näher, betrachtete sich kritisch. Ich bin eine Frau, noch keine fünfunddreißig, und das hier ist mein Körper, dachte sie, legte die Handflächen unter die Brüste und stand still. Sie spürte den schweren Widerstand, noch immer ein Widerstand. Sie strich sich über den Bauch, noch immer gab es da eine Taille, aber sie war etwas schwerer geworden. Verglichen mit wann, dachte sie und drehte sich zum Profil. Der Po hing ein wenig, aber das hatte seinen Grund einzig und allein im Winkel.
    Das Wasser rauschte weniger, je

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