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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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waren.
    »Er hatte eine Wunde am Handgelenk, einen Tag alt, in der Lücke über dem Handschuh«, erklärte sie. »Gerade da war die Haut nackt.«
    »Schlimmer konnte es nicht kommen.«
    »Dann schrammte er sich am Türpfosten, als sie mit der Bahre ins Zimmer kamen, und das Blut landete auf dem Arm des Jungen, als sie ihn zudeckten.«
    »Ein Tropfen«, klagte Winter, »ein Tropfen, über den ich mich so gefreut hatte.«
    »Eigentlich solltest du mir danken, Erik«, sagte sie,
    »man braucht genausoviel Zeit, um Fehler zu eliminieren, wie Sachen zu finden, über die man sich freuen kann.«
    »Entschuldigung.«
    »Danke.«
    »Ihr habt also alle kontrolliert.« »Soweit es möglich war.«
    »Und ich, der ich glaubte, wir brauchen jetzt nur einen dringend Verdächtigen.«
    »Was ist mit all den guten Vernehmungsleitern passiert?«
    Winter dachte an Gabriel Cohen, der am Tag, nachdem die Untersuchung richtig in Gang gekommen war, dazu ausersehen worden war. Cohen machte es wie Winter, las Blatt auf Blatt, das von Möllerströms Laserprinter ausgedruckt wurde, wartete ab, bereitete sich vor.
    »Cohen ist bereit«, antwortete Winter.
    »Die medizinische Wissenschaft kann nicht immer die Rettung sein«, bemerkte Pia Fröberg.
    »Darf ich dich für heute abend zum Essen einladen?«
    »Nein.«
    Sie lächelte und streckte sich nach dem Mantel über der Stuhllehne, so daß sich die Bluse über den Brüsten spannte, »Mein Mann ist wieder nach Hause gekommen.«
    »Ich dachte, das wäre vorbei.«
    »Das dachte ich auch.«
    Winter sagte nichts mehr, hob die Hand zum Gruß und ging aus dem Zimmer. Eine Bahre wurde an ihm vorbeigerollt, jemand sagte ein paar Worte.
    Seit Tagen war die Sonne verschwunden. Sie war von einer tiefen Schicht Nässe ersetzt worden, die die Straßen und Häuser der Stadt einhüllte. In den letzten beiden
    Nächten hatte es geschneit, nur in den Nächten, und Winter setzte vorsichtig seine Schritte auf das Trottoir. Da war ein Muster von tausend Fußabdrücken, vielleicht von ihm, dachte Winter, vielleicht folgt er mir auf Schritt und Tritt. Er hat hier draußen gestanden und gewartet und ist dann in die Richtung weggegangen, in die ich jetzt gehe.
    Es war, als hätte das vergangene Hoch ihn mit seinen scharfen Strahlen, mit seiner reinen Kälte wach gemacht. Aber die verfluchte Feuchtigkeit drang nun in seinen Kopf, das Tief zog mit seinen Gedanken davon.
    Ich gehe im Kreis, dachte er, die Untersuchung geht die ganze Zeit voran, aber ich selbst gehe im Kreis. Ich sehe mich nicht um, ich kann zehn Minuten gehen, und plötzlich weiß ich nicht mehr, durch welche Straße ich gehe, und bin gezwungen, den Kopf zu heben und mich umzuschauen. Das dürfte nicht nötig sein, ich kenne die Straßen hier, ich bin vierzehn Jahre im Dienst und unzählige Jahre davor hier herumgelaufen.
    Die Avenyn krümmte sich vor ihm, er stand vor der Stadtbibliothek und sah die Straße bleich werden in der Feuchtigkeit zum Kungsportsplatsen hin. Die breiten Gehwege waren fast leer, die Mittagspause war vorbei, zehn Personen oder so bewegten sich auf der Avenyn. Einige warteten auf Busse oder Straßenbahnen. Es begann zu schneien, schwer und mit Regen vermischt. Vor einer Woche hatte einem der Frühling etwas zugeflüstert, aber nun hatten alle vergessen, was das gewesen war. Winter spazierte über Heden. Er hörte einen Schrei hinter ich und drehte sich um. Eine Frau kam über den Södravagen gesprungen, die Arme wie zum Gruß erhoben und mit wichtiger Miene. Die Beine lang und leuchtend von der Umgebung abgehoben. Jetzt schrie sie wieder, lauter, oder vielleicht klang es nur so, weil sie näher gekommen war: »MEIN AUTO!«
    Sie lief mit ausgestreckten Armen an Winter vorbei. Er sah einen weißen Opel Omega beim Exercishuset um die Ecke fahren und in Richtung Sportplatz Gamla Ullevi davonzischen.
    Die haben einen Fehler gemacht, aber das hilft ihr im Moment nicht, dachte er und ging schnell auf die Frau zu.
    »Die Autonummer«, sagte er, das Handy in der Hand.
    »Bitte?«
    »Ihre Autonummer. Ich bin Polizist«, sagte Winter und zeigte auf sein Telefon, als wäre das die Dienstmarke.
    »Ja... ich weiß nicht«, sagte sie. »Mein Bruder hat es norma...«
    »Die erste Ziffer?« unterbrach Winter sie. »Immer mit der Ruhe.«
    »Die ist sechs. und dann vier, glaube ich«, sagte die Frau.
    Winter hatte die Nummer der Zentrale gewählt, »Hier ist Kriminalkommissar Erik Winter vom Fahndungsdezernat. Ich war gerade Zeuge eines

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