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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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verlieben. Du wirst dir BHs kaufen. Und auch die Art, wie du die Dinge siehst, wird sich ändern.«
    »Mann, bist du blöd«, entrüstete sie sich. »Nur zu deiner Information: Heutzutage tragen auch schon Dreizehnjährige BHs. Aus welchem Jahrhundert kommst du eigentlich?«
    »Ach so«, sagte ich kleinlaut.
    »Du bist wirklich ein Vollidiot«, sagte sie nachdrücklich.
    »Kann schon sein«, räumte ich ein.
    Daraufhin lief sie schweigend vor mir her, bis wir zum Auto kamen.

24
    Als wir das Haus ihres Vaters nahe der Küste erreichten, dämmerte es bereits. Es war ein riesiges, altes Anwesen mit unglaublich großem Baumbestand. Die Gegend besaß noch das Flair der Epoche, als hier Strandvillen standen. Wie schön die friedliche Abendstimmung des Frühlings dazu passte. Die Kirschbäume trugen üppige Knospen, und wenn sie verblüht waren, würden die Magnolienblüten aufgehen. Eine Symphonie von Farben und Düften, deren minimale tägliche Veränderung den Wandel der Jahreszeiten widerspiegelte. Solche Orte gab es also noch.
    Ein hoher Holzzaun mit einem überdachten Tor im traditionellen Stil umgab die Villa. Nur das Namensschild war neu. Makimura stand dort in gestochen scharfen, schwarzen Schriftzeichen. Wir klingelten, und es dauerte einen Moment, bis ein hochgewachsener junger Mann von etwa zwanzig Jahren die Tür öffnete. Er trug das Haar kurz geschnitten. Die liebenswürdige Art, mit der er uns hereinbat, wirkte äußerst sympathisch. Yuki kannte ihn offenbar bereits. Sein Lächeln war so gewinnend wie das von Gotanda, wenn auch längst nicht so feinsinnig. Der junge Mann führte uns nach hinten in den Garten und stellte sich mir als Makimuras Assistent vor.
    »Ich bin sein Chauffeur, liefere seine Manuskripte ab, recherchiere, trage ihm die Golfschläger, spiele mit ihm Mahjong, begleite ihn auf Auslandsreisen und so weiter«, erklärte er unaufgefordert in fröhlichem Ton. »Früher hätte man das Butler genannt.«
    »Aha«, sagte ich.
    Yuki lag vermutlich ein »So ’n Quatsch« auf den Lippen, aber sie hielt den Mund. Es hing wohl davon ab, wen sie vor sich hatte.
    Makimura übte hinten im Garten Golfschläge. Zwischen zwei Kiefernstämmen war ein grünes Netz aufgespannt, und der Herr des Hauses versuchte, mit seinen Bällen die Zielscheibe in der Mitte zu treffen. Wuuusch machte es, wenn sein Schläger durch die Luft schwirrte. Ein Geräusch, das ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Es hört sich grässlich und deprimierend an. Für diese Abneigung gibt es eine simple Erklärung: mein Vorurteil gegen Golf. Ich hasse diesen Sport – einfach so, ohne besonderen Grund.
    Als er uns kommen sah, winkte er uns zu und legte seinen Schläger beiseite. Mit einem Handtuch tupfte er sich den Schweiß vom Gesicht. »Schön, dass du gekommen bist«, sagte er zu Yuki, die jedoch so tat, als hätte sie es nicht gehört. Ohne ihn anzublicken, holte sie einen Kaugummi aus der Tasche, wickelte ihn aus und steckte ihn in den Mund. Sie schmatzte geräuschvoll, knüllte das Papier zusammen und warf es in den nächstbesten Blumenkübel.
    »Guten Tag könntest du ja wenigstens sagen«, sagte Makimura.
    »Guten Tag«, höhnte Yuki und schlenderte davon, die Hände in den Taschen.
    »Bring uns ein Bier«, herrschte Makimura seinen Assistenten an.
    »Sofort«, antwortete der Mann und eilte davon. Nach einem lauten Räuspern spuckte Makimura auf den Boden und wischte sich erneut das Gesicht trocken. Meine Anwesenheit ignorierend, betrachtete er die Zielscheibe auf dem grünen Netz wie ein Meditationsobjekt. Ich betrachtete derweil gedankenverloren die bemoosten Steine.
    Die ganze Szene wirkte künstlich und mehr als absurd. Es benahm sich zwar niemand daneben oder machte Schnitzer, aber ich kam mir vor wie in einer Parodie. Jeder spielte die ihm zugewiesene Rolle. Der Autor und sein Assistent. Nur der charmante Gotanda hätte vermutlich eine bessere Figur abgegeben. Er rettete jede Rolle, auch wenn das Drehbuch Mist war.
    »Yuki hat mir erzählt, Sie hätten sich um sie gekümmert«, sagte nun der berühmte Mann.
    »Nicht der Rede wert«, erwiderte ich. »Wir sind nur im selben Flugzeug zurückgeflogen, nichts weiter. Ich muss mich vielmehr bedanken für den Beistand der Polizei gegenüber. Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Wie? Ach so, das. Keine Ursache. Ich bin froh, dass ich mich revanchieren konnte. Außerdem kommt es höchst selten vor, dass meine Tochter mich mal um einen Gefallen bittet. Das war eine Kleinigkeit.

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