Tanz mit dem Schafsmann
Glücksmomente empfand, wenn ich Schnee schaufelte, meinen Subaru fuhr, alte Platten hörte oder etwas Vernünftiges aß. Das sind wir, sie und ich. Vielleicht würde es gut gehen. Vielleicht aber auch nicht.
Unzureichende Daten. Prognose unmöglich.
Ob ich auch sie früher oder später verletzen würde, sobald wir zusammen wären? So wie meine Exfrau es mir prophezeit hatte? Ihrer Meinung nach verletze ich jede Frau, mit der ich zusammen bin. Bin ich denn unfähig, andere zu lieben, weil ich viel zu egozentrisch bin?
Doch je mehr ich an Yumiyoshi dachte, desto stärker verspürte ich den Wunsch, sofort nach Sapporo zu fliegen, um sie in die Arme zu schließen. Trotz unzureichender Daten würde ich ihr gerne sagen, dass ich sie lieb habe. Aber es geht nicht. Zuerst muss ich das Knäuel entwirren. Ich kann diese Sache nicht einfach unerledigt liegenlassen. Ich würde sie nur mitschleppen. Der Schatten würde mich auf Schritt und Tritt überallhin begleiten und weiterhin alles trüben. Alles andere als ideal.
Es ging um Kiki. Die bildete das Zentrum der ganzen Angelegenheit. Auf jede erdenkliche Weise versuchte sie, Kontakt mit mir aufzunehmen. Im Kino in Sapporo, in Honolulu Downtown. Schemenhaft kreuzte sie immer wieder meinen Weg. Sie wollte mir irgendeine Botschaft übermitteln, das war offensichtlich. Aber ich verstand die rätselhaften Andeutungen nicht. Was mochte Kiki von mir wollen?
Was sollte ich tun?
Ich wusste es längst.
Einfach nur abwarten.
Abwarten, bis etwas geschah. Es war immer das Gleiche. Sobald ich in der Klemme saß, galt es, nichts zu überstürzen. Einfach nur still abwarten, bis sich etwas ereignete. Ich musste lediglich die Augen offen halten und hoffen, dass sich in dem trüben Dunst etwas rührte. Das hatte ich aus meinen Erfahrungen gelernt. Irgendwann würde es sich schon regen. Wenn es sich um etwas Notwendiges handelte, würde es sich schon regen, garantiert.
Okay, ich würde geduldig warten.
Alle paar Tage traf ich mich nun mit Gotanda, um mit ihm etwas trinken oder essen zu gehen. Es war richtig zur Gewohnheit geworden. Jedes Mal wenn wir uns sahen, entschuldigte er sich dafür, dass er den Subaru noch behalten wolle. Ich beruhigte ihn, das sei überhaupt kein Problem.
»Und, hast du den Maserati noch nicht im Meer versenkt?«
»Hab’ leider keine Zeit, ans Meer zu fahren«, gab ich zurück.
Wir saßen in einer Bar und tranken Wodka-Tonic. Er hatte einen etwas stärkeren Zug am Leibe als ich.
»Es macht bestimmt einen Heidenspaß, den Wagen im Meer zu versenken«, sagte er und hob das Glas an die Lippen.
»Du könntest befreit aufatmen«, sagte ich. »Aber gleich darauf bekommst du einen Ferrari verpasst.«
»Der wird dann gleich hinterher versenkt«, sagte Gotanda.
»Und nach dem Ferrari?«
»Danach? Hm, wenn ich das mit allen tue, stellt sich vermutlich die Versicherung quer.«
»Die Versicherung? Was kümmert dich die? Du solltest etwas großspuriger denken. Es ist doch ohnehin nur eine Phantasie, die wir hier im Suff aushecken, und keiner von deinen Low-Budget-Filmen. Im Reich der Phantasien muss man nicht im Voraus kalkulieren. Deine kleinkarierten Sorgen haben da nichts zu suchen. Tob dich aus! Lamborghini. Porsche. Jaguar. Einer nach dem anderen wird versenkt. Nur keine Hemmungen. Das Meer ist unendlich weit und tief. Da ist Platz für Millionen Autos. Lass deiner Phantasie freien Lauf, Mann!«
Er lachte. »Wenn ich so mit dir rede, fühle ich mich schon befreit.«
»Ich auch, zumal es nicht meine Karre ist, und auch nicht meine Phantasie«, sagte ich. »Wie läuft’s denn so mit deiner Exfrau?«
Er nippte an seinem Drink und nickte. Draußen regnete es, und der Laden war fast leer. Wir waren die einzigen Gäste. Der Barkeeper hatte nichts weiter zu tun, als die Flaschen zu polieren.
»Es läuft gut«, sagte Gotanda leise. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Wir lieben uns. Die Scheidung hat das eigentlich nur bestätigt und vertieft. Romantisch, was?«
»Und wie! Ich falle gleich in Ohnmacht.«
Er gluckste.
»Aber es ist wirklich so«, sagte er dann mit ernster Miene.
»Ich weiß«, sagte ich.
Unsere Gespräche verliefen jedesmal in diesem Stil. Wenn wir über ernste Dinge redeten, schlugen wir immer einen scherzhaften Ton an. Das war auch nötig angesichts der Themen. Meistens kam zwar nur Unsinn dabei heraus, aber das machte nichts. Hauptsache, wir amüsierten uns. Spaß um des Spaßes willen. Wir hatten es beide nötig, uns
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