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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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mitzuteilen, und das taten wir eben auf witzige Art.
    Gotanda und ich waren vierunddreißig. Ein schwieriges Alter, wenn auch in einem anderen Sinne schwierig, als dreizehn zu sein. Uns wurde langsam bewusst, was es heißt, älter zu werden, denn wir näherten uns einem Lebensabschnitt, für den wir uns rüsten mussten. Wir mussten dafür sorgen, dass wir es in dem bevorstehenden Winter warm hatten.
    Gotanda brachte es auf den Punkt. »Liebe. Das ist es, was ich brauche.«
    »Wie rührend«, sagte ich ironisch. Aber er hatte Recht, das brauchte ich auch.
    Gotanda schwieg und dachte über die Liebe nach. Ich ebenfalls. Yumiyoshi kam mir in den Sinn. Wie sie in der verschneiten Winternacht ein halbes Dutzend Bloody Marys getrunken hatte.
    »Ich habe mit unzähligen Frauen geschlafen, mir reicht’s. Es ist immer dasselbe, mit jeder. Immer das gleiche Muster«, sagte Gotanda nach einer Weile. »Was ich brauche, ist Liebe. Hörst du, ich gestehe dir hiermit wieder einmal meinen intimsten Wunsch: Die Einzige, mit der ich schlafen möchte, ist meine Frau.«
    Ich schnippte mit den Fingern. »Unglaublich. Die glorreichen Worte des herrn . Man sollte eine Pressekonferenz abhalten, auf der du dann öffentlich verkündest: ›Die Einzige, mit der ich schlafen möchte, ist meine Frau.‹ Alle werden zutiefst ergriffen sein. Vielleicht erhältst du sogar vom Premierminister einen Orden.«
    »Nein, dann schon eher den Friedensnobelpreis. Ich werde es der ganzen Welt verkünden: ›Die Einzige, mit der ich schlafen möchte, ist meine Frau.‹ So etwas bringt kein normal Sterblicher fertig.«
    »Dann brauchst du aber für die Preisverleihung einen Frack.«
    »Kein Problem, wird gekauft. Geht aufs Spesenkonto.«
    »Herrlich. Das Absetzen von der Steuer sei gepriesen.«
    »Ich werde es auf dem Podium vor dem schwedischen König verkünden«, spann Gotanda weiter. ›Werte Anwesende, die Einzige, mit der ich schlafen möchte, ist meine Frau.‹ Ein Sturm der Begeisterung bricht los. Die Wolkendecke reißt auf, die Sonne bricht durch.«
    »Das Eis schmilzt, die Wikinger sind überwältigt, der Gesang der Meerjungfrauen ertönt.«
    »Ergreifend!«
    Wir versanken erneut in Schweigen und sannen über die Liebe nach. Ich hatte reichlich Stoff zum Nachdenken. Wenn ich Yumiyoshi zu mir nach Hause einladen wollte, müsste ich auf jeden Fall vorher Wodka, Tomatensaft, Worcester-Sauce und Zitronen besorgen.
    »Vielleicht bekommst du ja gar keine Auszeichnung«, sagte ich. »Womöglich halten sie dich nur für einen Perversen.«
    Gotanda dachte kurz darüber nach und nickte dann.
    »Doch, damit muss ich rechnen. Meine Worte könnten als sexuelle Konterrevolution verstanden werden. Der aufgebrachte Pöbel wird mich dann wahrscheinlich zu Tode trampeln. Immerhin werde ich dadurch zum sexuellen Märtyrer.«
    »Der erste Schauspieler, der zum sexuellen Märtyrer wurde.«
    »Aber wenn ich sterbe, kann ich nie mehr mit meiner Frau schlafen.«
    »Treffendes Argument.«
    Erneutes Schweigen. Wir tranken weiter.
    In dieser Art führten wir also unsere Gespräche. Hätte jemand uns belauscht, er hätte vermutlich gefunden, wir redeten puren Quatsch. Aber wir meinten es todernst.
    Wenn Gotanda Zeit hatte, rief er mich an und schlug einen Treffpunkt vor, oder er kam zu mir zum Essen, oder ich besuchte ihn in seiner Wohnung. So vergingen die Tage. Ich hatte beschlossen, mir die Arbeit völlig vom Hals zu halten, denn sie bedeutete mir nicht mehr viel. Die Welt drehte sich auch ohne mich. Vorläufig wollte ich ruhig abwarten, was geschehen würde.
    Ich schickte Makimura das restliche Geld und die Reisequittungen.
    Am nächsten Tag rief Freitag an und bat mich inständig, das Geld doch bitte zu behalten.
    »Mein Chef fühle sich sonst sehr unbehaglich«, sagte er, »und ich komme dann auch in Schwierigkeiten.«
    Dieses ganze Hin und Her wurde mir zu bunt, also willigte ich ein und ließ Makimura ausrichten, dieses eine Mal würde ich mich darauf einlassen. Daraufhin bekam ich prompt einen Scheck über dreihunderttausend Yen zugesandt. Beigelegt war eine Quittung, auf der Ausgaben für Recherchen stand. Ich setzte meine Unterschrift und mein Siegel darunter und schickte sie postwendend zurück. Die aufregende Welt der Spesenkonten.
    Ich steckte den Scheck in einen Bilderrahmen und stellte ihn auf meinen Schreibtisch.
    Die Goldene-Woche-Feiertage kamen und gingen vorüber.
    Ich telefonierte mehrmals mit Yumiyoshi.
    Immer bestimmte sie die Länge des Gesprächs.

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