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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wir aus Rücksicht gar nicht erwähnt. Es war schon schockierend genug für sie zu erfahren, dass ihre Tochter in einem Hotelzimmer von einem Mann erdrosselt wurde. Kein Wunder, bei diesen friedlichen Verhältnissen.«
    Ich sagte nichts und ließ ihn quasseln.
    »Wir haben den Callgirl-Ring, für den das Mädchen gearbeitet hatte, ausfindig machen können. Es war eine ziemliche Aktion, aber wir sind schließlich dahintergekommen. Sie fragen sich wohl, wie wir das geschafft haben? Wir haben die Hallen einiger Luxushotels in der Innenstadt überwacht, bis wir ein paar Ladies geschnappt haben, die diesem Gewerbe nachzugehen schienen. Denen haben wir dann genau wie Ihnen damals die Fotos gezeigt und sie in die Mangel genommen. Eine hat geplaudert. Es sind eben nicht alle so zäh wie Sie. Die Damen befinden sich ohnehin in einer schwächeren Position. So haben wir den Callgirl-Ring ausfindig machen können. Ein exklusiver Verein. Superteuer, die Mitgliedschaft. Da können Leute wie Sie und ich nicht mithalten. Oder können Sie für eine Nummer siebzigtausend hinblättern? Ich jedenfalls nicht. Das steht außer Frage. Bei dem Preis würde ich doch eher mit meiner Frau vögeln und dafür meinem Sohn ein neues Fahrrad kaufen. Na ja, das klingt jetzt ein bisschen nach popeligen Verhältnissen.« Er lachte nervös und sah mich an. »Und selbst wenn ich die sieben Riesen hinlegen würde, würden sie mich nicht in den Club aufnehmen. Sie stellen auch Nachforschungen über die Herkunft an, und zwar gründlich. Sicherheit hat Priorität. Verdächtige Typen werden nicht zugelassen. Auch ein Polizeibeamter kommt da nicht rein. Nicht, dass Gesetzeshüter grundsätzlich ausgeschlossen sind, man muss jedoch ganz oben stehen. Ganz weit oben allerdings, denn notfalls können solche Kandidaten denen von Nutzen sein. Aber ein kleiner Fisch wie ich – keine Chance.«
    Er trank den Kaffee aus und steckte sich eine weitere Zigarette an.
    »Es wurde eine Durchsuchung des Clubs beantragt. Drei Tage hat es gedauert, bis wir die Genehmigung hatten. Als wir dann mit dem Durchsuchungsbefehl endlich die Razzia durchführen konnten, war von der Agentur keine Spur mehr zu entdecken. Alles leer geräumt. Restlos. Die Information muss durchgesickert sein. Und was glauben Sie, wo die undichte Stelle war?«
    Keine Ahnung, erwiderte ich.
    »Na, innerhalb des Präsidiums natürlich. Und zwar in der obersten Etage. Von da kam die Information. Keine Beweise. Aber unsereins hat für solche internen Manöver einen Riecher. Von irgendwo ist die Information durchgesickert. Derjenige hat dem Club gesteckt, dass eine Hausdurchsuchung ansteht, man solle sich schnellstens aus dem Staub machen. Peinliche Angelegenheit. Aber so was soll’s geben. Der Club ist an derartige Aktionen gewöhnt und kann sich einfach in Null Komma nichts woanders hin verziehen. In einer Stunde ist alles erledigt. Sie mieten einfach ein anderes Büro, richten neue Telefonanschlüsse ein, und schon sind sie wieder im Geschäft. So einfach geht das. Die Kundenkartei ist vorhanden, die erlesenen Damen stehen parat, und so kann das Gewerbe praktisch überall betrieben werden. Wir kommen ihnen nicht auf die Schliche. Bleiben außen vor. Die Verbindung ist abgerissen. Wenn wir wüssten, mit welcher Art von Kunden das Opfer zu tun hatte, könnten wir unsere Ermittlungen vorantreiben, aber so kommen wir nicht weiter.«
    »Verstehe ich nicht«, sagte ich.
    »Was verstehen Sie nicht?«
    »Hören Sie, wenn das Mädchen, wie Sie sagten, zu diesem exklusiven Callgirl-Ring gehörte, weshalb sollte sie dann ein Kunde ermordet haben? Das hätte man doch sofort zurückverfolgen können, oder?«
    »Richtig«, sagte Schöngeist. »Deshalb muss ihr Mörder jemand außerhalb dieses Kundenstamms sein. Vielleicht ein privater Liebhaber, oder sie hat Extratouren ohne den Club gemacht. Wer weiß. Wir haben ihr Apartment durchsucht, aber keinen einzigen Hinweis gefunden. Wir sind mit unserem Latein am Ende.«
    »Ich habe sie nicht ermordet«, sagte ich.
    »Das weiß ich doch. Sie waren es nicht«, sagte Schöngeist. »Das habe ich Ihnen bereits gesagt. Sie sind kein Typ, der andere umbringt. Das erkenne ich sofort. Wer nicht wie ein Mörder aussieht, bringt auch tatsächlich niemanden um. Aber Sie wissen etwas, das sagt mir mein Instinkt. Ich bin schließlich ein Profi. Also, warum rücken Sie nicht mit der Sprache raus? Das würde mir reichen. Ich belästige Sie auch nicht mit Formalitäten. Das verspreche ich

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