Tanz mit dem Schafsmann
miteinander geredet. Ich habe ihr von meiner Frau erzählt, und sie hat mir immer aufmerksam zugehört. Was hat mich dazu gebracht, sie umzubringen? Aber ich habe es getan, mit diesen Händen. Ohne Vorsatz. Ich hatte dabei das Gefühl, ich würde meinen eigenen Schatten töten. Während ich sie würgte, kam es mir vor, als würde ich meinen Schatten erwürgen. Ich glaubte, wenn ich meinen Schatten getötet hätte, würde es mir besser gehen. Aber es war nicht mein Schatten. Es war Kiki. Doch das ist alles in der Welt der Finsternis geschehen – in einer anderen Welt, verstehst du? Nicht in dieser Welt hier. Es war Kiki, die mich dort hingelockt hat. Würge mich, hat sie gesagt. Nur zu, erwürge mich. Sie hat mich dazu aufgefordert, es mir gestattet. So war es, das schwöre ich. Ich begreife es selbst nicht. Wie kann so etwas geschehen? Das Ganze ist wie ein Traum. Je mehr ich darüber nachdenke, desto unwirklicher erscheint es mir. Warum hat sie mich verführt? Weshalb hat sie mich aufgefordert, sie umzubringen?«
Ich trank mein lauwarmes Bier aus. Der Zigarettenqualm war zu einer dichten Schicht geworden, die wie eine spiritistische Erscheinung über uns durch den Raum waberte. Jemand stieß mir in den Rücken und sagte: »Entschuldigung!« Über den Lautsprecher wurden die Nummern der fertigen Pizzas ausgerufen.
»Trinken wir noch ein Bier?«, fragte ich Gotanda.
»Gern«, sagte er.
Ich ging zum Tresen und holte zwei weitere Biere, die wir schweigend tranken. Es herrschte ein Betrieb wie an der Station Akihabara im Berufsverkehr. Ständig gingen Leute an unserem Tisch vorbei, aber keiner beachtete uns. Niemand bekam etwas mit von unserem Gespräch. Und niemand beachtete Gotanda.
»Was habe ich dir gesagt?«, Gotandas Mund umspielte ein sympathisches Lächeln. »Der Laden ist ein Geheimtipp. Keine Prominenz in Sicht.«
Er schwenkte sein Glas, das noch zu einem Drittel gefüllt war, wie ein Teströhrchen. »Lass es uns vergessen«, sagte ich ruhig. »Ich kann es, also tu du es auch.«
»Du meinst, ich könnte es vergessen? Das sagt sich so leicht. Aber du hast sie ja auch nicht mit deinen eigenen Händen erwürgt.«
»Jetzt hör mir mal zu. Es gibt kein einziges Indiz dafür, dass du Kiki getötet hast. Hör auf, dir etwas vorzuwerfen, was sich überhaupt nicht beweisen lässt. Dein Unterbewusstsein spielt dir vielleicht einen Streich, indem es Kikis Verschwinden mit deinem Schuldkomplex verbindet. Das wäre doch möglich, oder?«
»Gut, reden wir über Möglichkeiten«, sagte Gotanda und legte seine Hände flach auf den Tisch. »In letzter Zeit habe ich immer nur darüber nachgedacht, was alles möglich wäre. Es gibt eine Menge Szenarien. Zum Beispiel könnte ich ja auch meine Frau umbringen, nicht wahr? Ich könnte sie ebenfalls erwürgen, wenn sie es zuließe, wie Kiki. Ich denke nur noch an solche Dinge. Je mehr ich diesen Phantasien freien Lauf lasse, desto stärker wuchern sie in mir. Sie lassen sich nicht abstellen. Ich habe sie nicht unter Kontrolle. Ich habe nicht nur Briefkästen abgefackelt, ich habe auch vier Katzen getötet, auf ganz verschiedene Weise. Ich kann es nicht steuern. Nachts habe ich einmal bei den Nachbarn mit einer Steinschleuder ein Fenster kaputt geschossen und bin dann mit dem Fahrrad abgehauen. Es kommt einfach so über mich. Ich habe es noch nie jemandem anvertraut. Du bist der Erste, dem ich das erzähle. Jetzt fühle ich mich erleichtert. Aber ich kann nicht damit aufhören. Es wird immer so weitergehen, solange sich die Kluft zwischen dem Schauspieler und meinem eigentlichen Ich nicht schließt. Das ist mir klar. Dadurch, dass ich Schauspieler geworden bin, ist die Diskrepanz noch größer geworden. Je intensiver ich spiele, umso schlimmer sind die Auswirkungen. Ich kann nichts dagegen tun. Vielleicht werde ich als Nächstes meine Frau umbringen. Ich habe keine Kontrolle darüber. Weil es nämlich nicht in dieser Welt geschieht. Ich sehe keinen Ausweg. Es steckt in meinen Genen.«
»Du nimmst das viel zu ernst«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. »Es führt doch zu nichts, wenn du jetzt auch noch deine Gene dafür verantwortlich machst. Gönn dir mal eine Pause, mach Urlaub. Auch von deiner Frau. Ihr solltet euch eine Zeit lang nicht treffen. Anders geht es nicht. Lass einfach alles stehen und liegen, komm mit mir nach Hawaii. Das ist eine angenehme Gegend. Am Strand faulenzen und Piña Colada trinken. An nichts denken. Von morgens an Cocktails
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