Tanz mit dem Schafsmann
Verzweiflung glich einer Bleikapsel, aus der man nicht entkam. Sein Tod hatte nichts Erlösendes an sich. Gotanda war nicht imstande gewesen, sich seinen inneren Impulsen zu stellen. Sein Trieb hat ihn bis zum Äußersten gedrängt. An den äußersten Rand seines Bewusstseins. Über die Grenze hinaus ins dunkle Jenseits.
Eine Zeit lang weideten sich das Fernsehen, die Illustrierten und die Sportzeitungen an seinem Tod. Wie Käfer, die an einem Kadaver nagen. Schon von den Überschriften wurde mir übel. Ich konnte mir den Inhalt dieser Artikel ausmalen, ohne eine Zeile lesen zu müssen. Am liebsten hätte ich jeden dieser Klatschjournalisten eigenhändig erwürgt. Mit einer Eisenstange erschlagen, hatte Gotanda gesagt. Eine einfache, fixe Methode. Nein, so nicht. Einen derart schnellen Tod hatten sie nicht verdient. Dann schon eher ihnen langsam die Gurgel zudrücken.
Ich schlüpfte ins Bett und schloss die Augen. »Kuckuck«, rief May aus tiefster Dunkelheit.
Ich lag da und hasste die Welt. Aus innerster Seele, heftig, von Grund auf. Die Welt war voller absurder Todesfälle, die einen üblen Nachgeschmack hinterließen. Ich fühlte mich ohnmächtig, besudelt von der Obszönität der Welt der Lebenden. Menschen kamen und gingen. Und jene, die gegangen waren, kamen nie wieder zurück. Ich betrachtete meine Hände. Auch sie rochen nach Tod. Ich kann sie nicht reinwaschen, hatte Gotanda gesagt. He, Schafsmann, ist das etwa deine Art, mich mit der Welt zu verknüpfen? Über den Tod, der nie ein Ende nimmt? Was werde ich noch verlieren? Du hast gesagt, ich müsste damit rechnen, nie mehr glücklich zu werden. Meinetwegen. Aber das hier ist zu viel für mich.
Plötzlich kam mir ein naturwissenschaftliches Buch in den Sinn, das ich als Kind gelesen hatte. Darin hatte gestanden: »Was würde mit der Welt geschehen, wenn es keine Reibung gäbe?« Die Antwort lautete: »Wenn es keine Reibung gäbe, würde durch die Fliehkraft der Eigenrotation alles auf der Erdoberfläche ins All geschleudert werden.« Genauso fühlte ich mich jetzt. »Kuckuck«, rief May.
41
Drei Tage nachdem Gotanda den Maserati im Meer versenkt hatte, rief ich Yuki an. Eigentlich wollte ich mit niemandem sprechen, aber mit ihr musste ich reden. Sie war schutzlos und allein. Noch ein Kind. Und vielleicht war ich der Einzige, der sie beschützen konnte. Aber noch weitaus wichtiger ist, dass sie lebt. Und ich hatte die Pflicht, sie am Leben zu erhalten. Zumindest empfand ich es so.
In Hakone war sie nicht. Ame war am Apparat und sagte mit schlaftrunkener Stimme, ihre Tochter sei vor zwei Tagen nach Akasaka ins Apartment zurückgekehrt. Sie schien nicht zum Reden aufgelegt zu sein, was mir nur recht war. Ich rief in Akasaka an. Yuki musste direkt neben dem Telefon gesessen haben. Sie nahm sofort ab.
»Brauchst du deiner Mutter nicht mehr Gesellschaft zu leisten?«, erkundigte ich mich.
»Keine Ahnung. Ich wollte einfach mal allein sein. Mama ist schließlich erwachsen, sie wird auch ohne mich zurechtkommen. Ich muss über mein Leben nachdenken. Über das, was ich in Zukunft tun soll. Es wird allmählich Zeit, dass ich mir darüber Gedanken mache.«
»Da magst du Recht haben«, stimmte ich ihr zu.
»Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Dein Freund ist tot, nicht wahr?«
»Ja, der Fluch des Maserati. Du hattest Recht.«
Yuki schwieg. Ihr Schweigen drang wie Wasser in meine Ohren. Ich wechselte den Hörer vom rechten zum linken Ohr.
»Wollen wir was essen gehen?«, fragte ich. »Du ernährst dich doch bestimmt nicht richtig. Lass uns was Anständiges essen gehen. Ich habe in der letzten Zeit auch kaum etwas zu mir genommen. Allein schmeckt nichts.«
»Ich habe um zwei eine Verabredung, aber davor ist es okay.«
Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach elf.
»Gut, ich mache mich gleich fertig und hole dich ab. In dreißig Minuten bin ich bei dir«, sagte ich.
Ich zog mich um, nahm einen Schluck gekühlten Orangensaft und steckte Autoschlüssel und Geldbörse ein. Na, dann los. Halt, irgendetwas hatte ich noch vergessen. Ach ja, mich zu rasieren. Ich ging ins Bad und holte es nach. Dann musterte ich mich im Spiegel. Ging ich noch als Zwanziger durch? Eventuell. Aber wen würde es schon interessieren, ob ich jünger aussah oder nicht? War ja auch nicht wichtig. Ich putzte mir noch einmal die Zähne.
Draußen war schönes Wetter. Der Sommer hatte bereits Einzug gehalten. Eine herrliche Jahreszeit, wenn bloß die Regenzeit nicht käme. Ich trug ein
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