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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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»Ich meine mit der Arbeit, mit deiner Frau?«
    »Ach, in meinem Job hat sich nichts verändert«, erwiderte Gotanda mit einem gequälten Lächeln. »Es ist immer das Gleiche. Das, was ich gerne tun würde, geht nicht. Stattdessen bekomme ich haufenweise Rollen, die ich nicht spielen will. Wie eine Lawine. Und ich schreie laut um Hilfe angesichts dieser Masse, die da auf mich zustürzt, aber niemand hört mich. Ich werde nur heiser. Meine Frau – eigentlich komisch, ich nenne sie immer noch so, obwohl wir nun schon so lange geschieden sind – meine Frau habe ich inzwischen nur ein einziges Mal getroffen. Hast du schon mal mit einer Frau in einer Absteige oder einem Love-Hotel Sex gehabt?«
    »Eigentlich nicht, so gut wie nie«, erwiderte ich.
    Gotanda schüttelte den Kopf. »Es ist irgendwie absurd. Es macht mich auf die Dauer ganz fertig. In den Zimmern ist es fürchterlich dunkel, die Fenster sind total verrammelt, sodass kein bisschen Licht reinkommt. Ein Zimmer nur zum Vögeln. Fenster spielen da keine Rolle. Man braucht kein Tageslicht dazu. Da reichen Bett und Bad. Plus Dudelmusik, TV und Kühlschrank. Das ist alles. Nüchtern, sachlich, rein funktional. Für das Vorhaben natürlich sehr praktisch. An solchen Orten treibe ich mich mit meiner Frau herum. Man hat wirklich das Gefühl, man treibt es. Es ist toll mit ihr. Entspannend, lustvoll. Ich werde zärtlich. Danach möchte ich mit ihr einfach nur eng umschlungen daliegen. Aber es dringt kein bisschen Tageslicht herein. Alles dicht gemacht. Die Atmosphäre ist extrem künstlich. Mir behagen diese Orte überhaupt nicht. Aber nur da können wir uns treffen.«
    Er trank einen Schluck Bier und wischte sich mit der Papierserviette den Mund ab.
    »Ich kann sie leider nicht mit zu mir nehmen. Die Presse bekäme im Nu Wind davon, die Spürhunde wittern das sofort. Ich weiß auch nicht, wie sie das anstellen. Wir können auch nirgendwohin verreisen, das kann ich mir zeitlich nicht erlauben. Außerdem würde man uns sofort aufspüren. Wir haben unser Privatleben praktisch verhökert. Und jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als in billigen Hotels abzusteigen. Das ist ganz und gar …« Gotanda unterbrach sich und sah zu mir herüber. Dann lächelte er. »Ich bin schon wieder am Jammern.«
    »Ist schon in Ordnung, es stört mich nicht. Rede dir ruhig alles von der Seele. Ich höre dir zu. Mir ist heute sowieso eher nach Zuhören als nach Reden.«
    »Nicht nur heute. Ich jammere dir doch ständig etwas vor. Umgekehrt habe ich das noch nie erlebt. Es gibt sehr wenige Menschen, die anderen zuhören können. Jeder möchte am liebsten selbst reden, und dann auch nur unwesentliches Zeug. Ich bin auch so einer.«
    Die Dixieband spielte Hello Dolly. Wir lauschten eine Weile der Musik.
    »Wie wär’s mit noch einer Pizza?«, fragte Gotanda. »Wir könnten uns eine teilen. Ich weiß nicht, was mit mir los ist, ich habe einen Mordshunger heute.«
    »Okay, ich könnte auch noch etwas vertragen«, sagte ich.
    Er ging zur Theke und bestellte eine Pizza mit Anchovis. Als die Pizza kam, aßen wir wieder schweigend, jeder die halbe Portion. Die Studenten grölten immer noch herum. Die Band hatte ihren letzten Set beendet. Nun wurden Banjo, Trompete und Posaune in ihre Kästen gelegt und die Musiker gingen von der Bühne. Zurück blieb nur das Klavier.
    Auch nachdem wir unsere Pizza längst aufgegessen hatten, sagten wir nichts und starrten auf die leere Bühne. Ohne die Musik klangen die Stimmen der Gäste unnatürlich hart. Eine diffuse Härte – von der Substanz her weich, aber der Form nach hart. Undurchdringlich im Herannahen, geschmeidig hingegen, sobald sie einen erreichten. Sie schlugen wie Wellen an mein Bewusstsein, rollten langsam heran und ebbten wieder ab. Unablässig. Ich vertiefte mich ganz in dieses Brausen. Mein Bewusstsein schien kilometerweit entfernt zu sein. Ferne Wellen schlugen an mein fernes Bewusstsein.
    »Warum hast du Kiki umgebracht?«, fragte ich Gotanda. Ich hatte die Frage gar nicht stellen wollen. Sie war mir einfach herausgerutscht.
    Er starrte mich an wie etwas weit Entferntes. Seine Lippen öffneten sich ein wenig. Er hatte schöne, weiße Zähne. Lange blickte er mich unverwandt an. Das Tosen in meinem Kopf schwoll an und wurde wieder schwächer. Als ob der Kontakt zur Wirklichkeit abwechselnd näher rückte und sich wieder entfernte. Ich erinnere mich, dass seine Hände artig gefaltet auf dem Tisch lagen. Wenn die Wirklichkeit mir entglitt,

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