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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ohnehin nicht. In meiner Einfallslosigkeit ging ich in das erstbeste Restaurant und bestellte Spaghetti mit Salat. Dazu trank ich ein Bier. Es sah unverändert nach Schnee aus, aber noch fiel keine einzige Flocke. Bleiern hing der Himmel über der Stadt, wie die schwebende Insel Laputa aus Gullivers Reisen. Die ganze Stadt war grau in grau. Sogar mein Gedeck – Gabel, Salat, Bier – alles grau. Kein Tag, an dem einem etwas Gescheites einfiel.
    Schließlich winkte ich ein Taxi herbei und fuhr zu einem Kaufhaus in der City, wo ich Strümpfe, Unterwäsche, Batterien, eine Reisezahnbürste und einen Nagelknipser erstand. Außerdem besorgte ich mir ein Sandwich für mein Nachtmahl sowie einen Flachmann Brandy. Alles unnötiges Zeug. Ich kaufte nur ein, um Zeit totzuschlagen. Zwei Stunden hatte ich schon wieder hinter mich gebracht. Dann schlenderte ich ziellos über die Boulevards und guckte mir die Schaufenster an, bis mir auch das über wurde. Ich ging in ein Café und las bei einer Tasse Kaffee die Jack-London-Biographie weiter. Bald würde es dämmern. Mir war, als hätte ich einen öden Film gesehen, der nicht enden wollte. Zeit-Totschlagen ist keine leichte Arbeit.
    Im Hotel angekommen, ging ich an der Rezeption vorbei und hörte jemand meinen Namen rufen. Es war die Hübsche mit der Brille. Sie führte mich in den hinteren Bereich, wo eigentlich die Autovermietung mit ihren Prospekten stationiert war. Momentan war der Platz nicht besetzt. Sie spielte nervös mit ihrem Kugelschreiber und wirkte dabei, als wollte sie etwas sagen, wisse aber nicht, wie. Man sah ihr an, daß sie unsicher und verlegen war.
    »Bitte verzeihen Sie«, hob sie an, »aber wir müssen so tun, als sprächen wir über einen Leihwagen.« Dabei warf sie einen verstohlenen Blick hinüber zur Rezeption. »Die Geschäftsleitung ist sehr streng. Wir dürfen mit Gästen keine Privatgespräche führen.«
    »Na schön«, erwiderte ich. »Dann frage ich Sie nach den Mietpreisen, und Sie antworten mir. Das ist doch kein Privatgespräch.«
    Sie errötete leicht. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich erneut. »Aber sie nehmen es hier mit den Bestimmungen wirklich ganz genau.«
    Ich lächelte sie an. »Trotzdem, Ihre Brille steht Ihnen gut.«
    »Wie bitte?«
    »Sie sehen klasse aus mit der Brille. Richtig hübsch.«
    Sie tippte an ihr Brillengestell und räusperte sich. Offenbar eine nervöse Person. »Es gibt da etwas, was ich Sie gern fragen würde …«, sagte sie nun gefasst. »Es ist aber etwas Persönliches.«
    Ich hätte ihr am liebsten über den Kopf gestreichelt und sie beruhigt, doch da dies nicht möglich war, blickte ich sie nur wortlos an.
    »Es handelt sich um das, worüber wir gestern Abend gesprochen haben. Sie wissen, das Hotel, das es hier einmal gegeben haben soll«, erklärte sie mit gesenkter Stimme. »Das so hieß wie dieses hier. Was war das für ein Hotel? Ich meine, war es ein normales Hotel?«
    Ich griff mir einen Rent-A-Car-Prospekt und tat so, als würde ich ihn studieren. »Kommt drauf an, was Sie unter normal verstehen.«
    Sie fummelte an ihrem Blusenkragen herum und räusperte sich erneut. »Ich weiß nicht genau, wie ich’s sagen soll, aber gab es nicht irgendwelche merkwürdigen Vorkommnisse? Mir geht das nicht mehr aus dem Sinn … ich meine, das Hotel.«
    Ich blickte ihr in die Augen.
    Ernste, hübsche Augen – genau, wie ich sie in Erinnerung hatte. Unter meinen Blicken errötete sie abermals.
    »Ich weiß nicht so recht, was Sie damit meinen, es geht Ihnen nicht mehr aus dem Sinn, aber ich vermute, mir das zu erklären, ist eine längere Geschichte. Das Gespräch hier fortzuführen, ist wohl nicht so günstig. Außerdem haben Sie sicher zu tun.«
    Sie schaute hinüber zu ihren Kollegen an der Rezeption und biss sich mit ihren hübschen Schneidezähnen auf die Unterlippe. Nach einem Moment des Zögerns nickte sie entschlossen.
    »Na gut, könnten wir uns treffen, wenn ich hier mit meiner Arbeit fertig bin?«
    »Um wie viel Uhr wäre das?«
    »Um acht habe ich Schluss. Aber wir können uns schlecht hier in der Nähe treffen. Sie wissen, diese blöden Bestimmungen. Es müsste schon ein bisschen weiter weg sein. Geht das?«
    »Sicher. Hauptsache, wir können uns irgendwo in Ruhe unterhalten. Ich werde da sein.«
    Sie nickte, dachte einen Augenblick nach und griff sich dann einen Zettel, auf dem sie den Ort unserer Verabredung notierte. Dazu malte sie eine einfache Orientierungsskizze. »Warten Sie bitte dort auf mich.

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