Tanz mit dem Schafsmann
nicht der Typ, der andere um etwas bittet.
»Nur zu«, sagte er ohne Umschweife.
»Erinnerst du dich an unsere gemeinsame Aktion, die mit dem Magazin für eine Hotelkette?«, fragte ich. »Vor etwa fünf Jahren?«
»Ja, ich kann mich erinnern.«
»Sag mal, besteht die Verbindung noch?«
Er überlegte einen Moment. »Na ja, sie ist nicht besonders aktiv, aber auch noch nicht völlig gestorben. Lässt sich unter Umständen sicher wieder aufwärmen, schätze ich.«
»Es gab da einen Typen, der wusste enorm gut darüber Bescheid, was in dieser Branche so läuft. Sein Name fällt mir jetzt nicht ein. Ein ausgemergelter Typ, hatte immer ’ne komische Mütze auf. Glaubst du, du könntest zu ihm Kontakt aufnehmen?«
»Warum nicht? Was willst du wissen?«
Ich berichtete ihm in Kürze von dem Skandalartikel über das Dolphin. Er notierte sich Namen und Erscheinungsdatum des Magazins. Dann erzählte ich ihm von dem alten schäbigen Hotel Delfin, das vor dem jetzigen Prunkbau dort existiert hatte, und sagte, dass ich über folgende Dinge gerne mehr wissen würde: Erstens, weshalb das neue Hotel den alten Namen übernommen hatte. Zweitens, welches Schicksal den alten Eigentümer ereilt hatte. Und schließlich, ob der Skandal sich seitdem in irgendeiner Form weiterentwickelt hätte.
Er notierte sich alles und las es mir noch einmal vor.
»Das wär’s?«
»Ja, das ist alles«, antwortete ich.
»Vermutlich eilt die Sache, habe ich Recht?«, fragte er mich.
»Ich fürchte, ja …«
»Ich will sehen, ob ich den Typen heute noch erreichen kann. Gib mir deine Telefonnummer.«
Ich nannte sie ihm.
»Also dann bis später«, sagte er und legte auf.
Ich nahm ein einfaches Mittagessen in der Hotelcafeteria zu mir. Danach ging ich in die Empfangshalle und entdeckte das Mädchen mit der Brille an der Rezeption. Ich setzte mich in eine Ecke, um sie zu beobachten. Sie hatte zu tun und schien mich nicht zu bemerken. Oder sie bemerkte mich doch, ignorierte mich aber. Meinetwegen. Ich wollte sie nur ein bisschen anschauen. Dabei dachte ich, dass ich mit ihr hätte schlafen können, wenn ich gewollt hätte.
Hin und wieder brauchte ich eine solche Aufmunterung.
Nachdem ich sie etwa zehn Minuten lang angeschaut hatte, fuhr ich mit dem Fahrstuhl in mein Zimmer hinauf und las ein Buch. Draußen war es trübe, der Himmel wolkenverhangen. Ich hatte das Gefühl, in einer Bühnenkulisse zu hausen, in die nur ganz wenig Licht drang. Da ich nicht wusste, wann mein Expartner zurückrufen würde, konnte ich nicht ausgehen, und auf dem Zimmer blieb mir nichts anderes übrig, als zu lesen. Ich hatte die Jack-London-Biographie bald ausgelesen und nahm mir als Nächstes ein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg vor.
Der Tag ähnelte einer sich endlos hinziehenden Abenddämmerung. So völlig ohne Akzente. In das Grau draußen mischte sich allmählich Schwarz, bis es schließlich Nacht wurde. Lediglich eine Variante der Melancholie. Es gibt nur zwei Farben auf der Welt: Grau und Schwarz. Kommend und gehend, in regelmäßigen Intervallen.
Ich rief den Zimmerservice an und bestellte Sandwiches. Ich kaute langsam Bissen für Bissen und trank dazu ein Bier aus dem Kühlschrank. Auch das Bier trank ich langsam, Schluck für Schluck. Wenn man nichts zu tun hat, tut man alle möglichen Dinge ausgiebig und bewusst. Um halb acht rief mein Expartner an.
»Ich hab’ ihn erreicht«, meldete er.
»Und, war’s schlimm?«
»Na ja, es ging«, sagte er nach einer kurzen Pause. Hörte sich an, als sei es ziemlich mühsam gewesen.
»Also, ich versuche mich kurz zu fassen: Erstens, die Angelegenheit ist fest unter Verschluss. Verschnürt und in einen Tresor gesperrt. Keiner kann mehr darin wühlen. Aus und vorbei. Der Skandal existiert sozusagen nicht mehr. Es gab lediglich ein paar unspektakuläre Personalwechsel im Regierungskabinett und im Rathaus. Nichts Bedeutendes, offenbar nur Feinabstimmungen. Mehr ist da nicht zu machen. Die Staatsanwaltschaft hat sich wohl auch geregt, doch keiner weiß Genaueres. Es ist ein ziemlich kompliziertes Geflecht. Heiße Sache. Deshalb war es auch so schwierig, etwas herauszukriegen.«
»Es handelt sich um eine ganz persönliche Angelegenheit, ich möchte niemandem Schwierigkeiten bereiten.«
»Das habe ich dem Typen auch gesagt.«
Den Hörer am Ohr, holte ich eine neue Dose Bier aus dem Kühlschrank, öffnete sie mit der freien Hand und goss mir ein Glas ein.
»Ich will dir ja nicht reinreden«, sagte er,
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