Tanz mit dem Schafsmann
mir zu Ohren kam. Ich war jung, hatte massig Zeit, und ich war verliebt. Damals fand ich alles umwerfend, auch wenn es blödsinnig und trivial war. Verstehst du, was ich meine?«
»Irgendwie schon«, sagte Yuki.
Dell-Vikings’ Come Go with Me kam als Nächstes, und ich stimmte in den Backgroundchor mit ein. »Langweilig?«, fragte ich.
»Hm, gar nicht so übel.«
»Gar nicht so übel«, wiederholte ich.
»Und jetzt bist du nicht verliebt?«
Ich dachte einen Moment ernsthaft darüber nach. »Schwierige Frage«, sagte ich. »Hast du einen Jungen, den du magst?«
»Nee«, erwiderte sie. »Es laufen doch bloß blöde Typen rum.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Musik hören macht mehr Laune.«
»Tja, das Gefühl kenne ich auch.«
»Ehrlich?«, fragte sie und sah mich mit zusammengekniffenen Augen argwöhnisch an.
»Ja, ehrlich«, erwiderte ich. »Es wird immer behauptet, das sei Flucht. Ist mir egal, was andere denken. Ich lebe mein Leben. Wenn du dir im Klaren darüber bist, was du willst, dann solltest du so leben, wie es dir passt. Interessiert mich nicht, was die anderen meinen. Meinetwegen sollen sie sich von Alligatoren auffressen lassen. Das war schon meine Meinung, als ich in deinem Alter war. Und daran hat sich nichts geändert. Vielleicht bin ich noch nicht richtig erwachsen geworden. Oder aber ich hatte schon immer den richtigen Riecher. Da bin ich mir nicht so sicher. Die Antwort lässt noch auf sich warten.«
Jimmy Gilmers Sugar Shack. Ich pfiff die Melodie des Refrains mit. Links von der Straße erstreckte sich ein riesiges Schneefeld. Just a little shack made out of wood. Espresso coffee tastes mighty good … Toller Song. 1964.
»Sag mal, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein bisschen verschroben bist?« sagte Yuki.
»Mh-mh«, verneinte ich.
»Bist du verheiratet?«
»War ich mal.«
»Also geschieden?«
»Ja.«
»Weshalb?«
»Meine Frau hat mich verlassen.«
»Ehrlich?«
»Ehrlich. Sie hat sich in einen anderen Typen verknallt und ist mit ihm durchgebrannt.«
»Tut mir leid.«
»Danke«, sagte ich.
»Aber ich kann mir schon vorstellen, wie deine Frau sich gefühlt haben muss.«
»Wie denn?«
Sie zuckte nur die Schultern. Ich wollte es auch gar nicht wissen.
»Magst du einen Kaugummi?«, fragte sie.
»Danke, nein«, antwortete ich.
Wir verstanden uns allmählich besser und sangen gemeinsam den Background des Beach-Boys-Songs Surfin’ USA mit. Die idiotensicheren Stellen wie Inside – outside – U.S.A. und so weiter. Und den Refrain von Help me Rhonda. Ich war also noch nicht auf dem Abstellgleis, noch kein alter Kauz. Indessen ließ das Schneetreiben langsam nach. Ich fuhr zum Flughafen zurück und lieferte die Wagenschlüssel bei der Autovermietung ab. Dann gaben wir unser Gepäck auf und waren eine halbe Stunde später am Flugsteig. Der Abflug hatte sich um fünf Stunden verzögert. Nachdem die Maschine gestartet war, schlief Yuki sofort ein. Ihr Gesicht war unglaublich schön. So schön wie eine fein modellierte Plastik aus überirdischem Material. Sie wirkte sehr zerbrechlich. Als die Stewardess mit den Getränken kam, öffnete Yuki blinzelnd die Augen und lächelte mich an. Ich lächelte zurück. Ich bestellte Gin-Tonic. Während ich trank, dachte ich an Kiki. Die Bettszene mit Gotanda spukte mir nach wie vor im Kopf herum. Die Kamera schwenkt, Kikis Gesicht. »Was ist denn los?«, sagt sie.
Was ist denn los? hallte es in meinen Gedanken wider.
16
Nachdem wir in Haneda unser Gepäck entgegengenommen hatten, fragte ich Yuki, wo sie wohne.
»In Hakone«, sagte sie.
»Ganz schön weit weg.« Es war bereits nach acht Uhr abends, und es würde lange dauern, dort hinzukommen, selbst mit einem Taxi. »Kennst du nicht jemanden in Tokyo? Einen Verwandten oder guten Bekannten?«
»Nein, niemanden, aber wir haben eine Wohnung in Akasaka. Klein, aber Mama wohnt dort, wenn sie in Tokyo zu tun hat. Ich kann dort übernachten. Es ist keiner da.«
»Hast du keine Verwandten, ich meine, außer deiner Mutter?«
»Nein«, erwiderte Yuki. »Mama und ich leben allein.«
»Hm«, sagte ich. Ziemlich schwierige Verhältnisse, aber nun ja, das ging mich nichts an. »Wir fahren auf jeden Fall erst mal zu mir. Und dann gehen wir irgendwo was essen. Danach bringe ich dich dann mit meinem Wagen zu eurer Wohnung. Ist das okay für dich?«
»Meinetwegen«, sagte sie.
Wir fuhren mit dem Taxi zu meinem Apartment in Shibuya. Ich bat Yuki, am Eingang zu warten, während ich mein
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