Tanz mit dem Schafsmann
Gepäck abstellte und meine robusten Winterklamotten gegen normale Stadtkleidung tauschte. Normale Sneaker, normaler Lederblouson, normaler Pullover. Dann fuhren wir in meinem Subaru zu einem italienischen Restaurant, etwa fünfzehn Minuten entfernt. Ich aß Ravioli mit Salat, sie Spaghetti mit Muscheln und Spinat. Zusätzlich bestellte ich eine Mixplatte mit frittiertem Fisch, die wir uns teilten. Es war eine ziemliche Portion, aber Yuki war so ausgehungert, dass sie zum Nachtisch noch Tiramisu verspeiste. Ich trank einen Espresso. »War das gut«, sagte sie.
Ich sagte, wenn ich mich mit etwas gut auskennen würde, dann seien das Feinschmeckerlokale, und erzählte ihr von meiner Arbeit, bei der ich solche Läden ausfindig machen musste.
Sie hörte mir schweigend zu.
»Deshalb weiß ich so gut Bescheid. Wie die Trüffelschweine in Frankreich, die grunzend nach dem Zeug wühlen.«
»Du magst deinen Job wohl nicht besonders, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wahrhaftig nicht. Das ist überhaupt nichts für mich. Der reinste Stumpfsinn. Du entdeckst ein Feinschmeckerlokal. Stellst es den Leuten in einer Zeitschrift vor. Gehen Sie da und da hin, probieren Sie die und die Speisen. Was soll der Quatsch? Es würde doch reichen, wenn jeder in das Lokal geht, das er mag, und bestellt, was ihm gefällt. Oder? Warum wird einem vorgeschrieben, in welches Restaurant man gehen soll? Sogar die Auswahl aus der Speisekarte diktieren sie einem. Und wenn der Laden dann ein Renommee hat, lassen Qualität und Service immer mehr nach. In neunzig Prozent der Fälle. Weil Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht geraten. Und das unterstütze ich auch noch.
Erst etwas aufstöbern und es dann verkommen lassen. Eins nach dem anderen. Ich entdecke etwas Schneeweißes, Reines und weiß, dass es verhunzt wird. So was nennt man dann Information. Und wenn jeder Winkel des gesamten Lebensraums lückenlos vernetzt ist, heißt das differenzierte Information. Ich habe es so satt, was ich tue.«
Yuki starrte mich die ganze Zeit über den Tisch hinweg an, als sei ich ein seltenes zoologisches Exemplar. »Aber du tust es.«
»Es ist nun mal mein Job«, erwiderte ich. Plötzlich kam mir zu Bewusstsein, dass ich hier mit einem dreizehnjährigen Mädchen saß. Oh Mann! Wieso belaste ich so ein junges Ding mit meinen Problemen? »Gehen wir?«, sagte ich. »Es ist schon spät. Ich bring dich dann nach Hause.«
Als wir ins Auto gestiegen waren, griff sich Yuki die herumliegende Kassette und schob sie in den Rekorder. Es war ein Oldie-Mix, von mir zusammengestellt. Ich hörte sie oft beim Autofahren. Four Tops mit Reach Out, I’ll Be There. Die Straßen waren völlig leer, sodass wir im Nu Akasaka erreichten.
Ich fragte Yuki nach der genauen Adresse.
»Sag ich dir nicht.«
»Wieso willst du mir das nicht sagen?«, fragte ich zurück.
»Ich will noch nicht nach Hause.«
»Es ist schon nach zehn«, erwiderte ich. »Wir haben einen langen, harten Tag hinter uns. Ich bin hundemüde.«
Yuki musterte mich von der Seite. Ich schaute zwar aufmerksam nach vorn auf die Straße, spürte ihren Blick aber ganz deutlich auf meiner linken Wange. Ein merkwürdiger Blick. Er schien zwar keine besonderen Emotionen zu enthalten, aber dennoch bekam ich davon Herzklopfen. Nach einer Weile wandte sie ihren Blick ab und starrte aus dem Fenster. »Ich bin hellwach. Außerdem bin ich dann ganz allein, wenn du mich dort absetzt. Lass uns doch noch ein bisschen rumfahren und Musik hören.«
Ich überlegte kurz. »Okay, noch eine Stunde. Aber dann gehst du nach Hause schlafen. Einverstanden?«
»Einverstanden«, erwiderte Yuki.
Wir kurvten in der Stadt umher und hörten Musik. Trugen dazu bei, dass die Luft verschmutzt und die Ozonschicht zerstört wurde, dass die Lärmbelästigung zunahm, die Leute gereizt und die Ressourcen knapp wurden. Yuki hatte sich zurückgelehnt und betrachtete verträumt die nächtliche Stadt.
»Deine Mutter ist jetzt in Katmandu?«, fragte ich sie.
»Ja«, antwortete sie träge.
»Das heißt, du bist so lange ganz allein?«
»Wir haben eine Haushälterin in Hakone.«
»Hm Passiert das öfter?«
»Dass Mama mich allein lässt? Andauernd. Die denkt nur an ihre Fotos und vergisst alles andere. Es ist keine böse Absicht, aber so ist sie nun mal. Sie denkt eben nur an sich. Und vergisst dabei ganz, dass ich auch noch da bin. Wie einen Regenschirm, den man liegen lässt. Plötzlich macht sie sich aus dem Staub. Sie will nach Katmandu, und
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