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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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hinterlassen.«
    »Das Problem ist nur, ich habe keine«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
    Er legte eine Platte auf den Bang & Olufsen-Plattenteller und setzte die Nadel auf. Die Musik – eine alte LP von Bob Cooper – ertönte aus nostalgischen JBL P88-Boxen. Diese phantastischen Exemplare stammten aus der Zeit, in der Lautsprecher noch nach was klangen, bevor JBL seine neurotischen Profimodelle in Umlauf brachte.
    »Was kann ich dir zu trinken anbieten?«, fragte er.
    »Egal, ich nehme das Gleiche wie du.«
    Er verschwand in der Küche und kam mit einer Flasche Wodka, Soda, Eiswürfeln und drei halbierten Zitronen auf einem Tablett zurück. Während wir die Drinks zu uns nahmen, hörten wir coolen, sauberen Westcoast-Jazz. Trotz der fehlenden oder kaum vorhandenen persönlichen Note fühlte ich mich nicht unbehaglich. Es war eine Ansichtssache. Für mich war es ein ganz gemütlicher Raum. Ich lümmelte mich auf dem Sofa und trank behaglich meinen Wodka-Tonic.
    »Ich hatte eine Reihe von Möglichkeiten«, sagte Gotanda und blickte dabei durch sein Glas zum Deckenlicht empor. »Ich hätte Arzt werden können, wenn ich gewollt hätte. An der Uni habe ich Kurse für das Lehramt besucht. Ich könnte bei einer erstklassigen Firma angestellt sein. Aber nun ist das aus mir geworden. Das ist mein Leben. Komisch. Die Karten lagen ausgebreitet vor mir. Ich hätte jede nehmen können. Und was ich auch angepackt hätte, es wäre mir gelungen. Ich war zuverlässig. Aber genau deshalb blieb mir keine Wahl.«
    »Ich habe niemals verschiedene Karten zur Auswahl vor mir gehabt«, sagte ich mit vollem Ernst. Gotanda sah mich aus schmalen Augen an und musste lachen. Er hielt es offensichtlich für einen Scherz.
    Er schenkte uns neu ein, quetschte eine Zitrone aus und warf die Schale in den Mülleimer. »Sogar in meine Ehe bin ich regelrecht hineingeschlittert. Wir hatten im selben Film mitgespielt und uns dabei näher kennen gelernt. Während der Dreharbeiten sind wir gemeinsam etwas trinken gegangen oder mit einem Mietwagen durch die Gegend kutschiert. Danach haben wir uns weiterhin verabredet. Die anderen fanden auch, dass wir gut zusammenpassten, also haben wir uns zur Heirat entschlossen. Ich habe mich sozusagen da hineinmanövrieren lassen. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie klein und beschränkt das Showbusiness ist. Als würde man in einer Mietskaserne in einer düsteren Seitengasse hausen. Wenn man erst mal in den Sog gerät, kann man sich nicht mehr wehren. Das Milieu bekommt dann Macht über dich. Trotz allem, ich habe sie sehr gemocht, wirklich. Sie war das Beste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist. Das ist mir nach unserer Heirat bewusst geworden. Ich wollte sie ganz für mich haben, aber es lief nicht. In dem Moment, wo ich mich ernsthaft für etwas entscheide, habe ich es schon verloren – Frauen, Rollen, was auch immer. Sobald mir etwas zugeteilt wird, gelingt mir alles. Ergreife ich hingegen die Initiative, dann rinnt es mir durch die Finger.«
    Ich hörte ihm schweigend zu.
    »Ich bin nicht depressiv«, sagte er. »Ich liebe sie immer noch. Das ist es. Manchmal denke ich, wie schön es doch wäre, wenn wir beide die Schauspielerei aufgeben und ein geruhsames Leben führen würden. Wir bräuchten nicht so eine hochgestochene Wohnung. Keinen Maserati. Nur einen anständigen Job und ein anständiges Heim. Kinder natürlich. Nach der Arbeit würde ich mit Freunden in der Kneipe hocken und ein bisschen herumsülzen. Und dann nach Hause zu ihr. Den Civic oder Subaru würde ich in Raten abzahlen. So würde mein Alltag aussehen. Mehr wünschte ich mir gar nicht. Hauptsache, sie ist da. Aber leider macht sie mir einen Strich durch die Rechnung, denn sie hat andere Vorstellungen. Ihre Familie erwartet mehr von ihr. Die Mutter ist eine ehrgeizige Drillmama, der Vater vom Geld besessen. Der ältere Bruder ist ihr Manager, und der jüngere baut andauernd irgendwelchen Mist, und das auszubügeln kostet Geld. Ihre Schwester strebt eine Karriere als Sängerin an und kann nicht aussteigen. Ihr selbst sind diese Wertvorstellungen schon als Kleinkind eingeimpft worden. Sie hat ihr Leben lang dieses Schema erfüllen müssen. Sie lebt nach einem fabriziertem Image. Du und ich sind da ganz anders. Sie hingegen hat nicht die geringste Ahnung von der realen Welt. Aber sie hat ein gutes Herz. Sie hat so etwas phantastisch Reines an sich. Davon bin ich überzeugt. Nur – es klappt nicht mit uns. Ich

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