Tanz mit dem Schafsmann
Freunde«. Ein Lächeln, das einem in der wirklichen Welt kaum begegnet. Hallo, grüßte ich zurück.
Wir saßen auf dem Boden oder lümmelten auf dem Sofa, tranken Brandy-Soda und unterhielten uns, während im Hintergrund Joe Jackson, Chic und Alan Parsons Project dudelte. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung, die wir alle genossen. Gotanda spielte dem Mädchen mit der Brille seine Zahnarztrolle vor. Er war wirklich gut, besser als ein echter Zahnarzt. Ein geborener Schauspieler.
Gotanda flüsterte dem Mädchen mit der Brille, das neben ihm saß, etwas ins Ohr, und sie kicherte hin und wieder. Die Schöne hatte sich inzwischen an meine Schulter geschmiegt und hielt meine Hand. Sie duftete so herrlich, dass einem der Atem stockte. Wirklich wie bei einem Klassentreffen, dachte ich. Das Mädchen, das dir plötzlich gesteht: Ich habe dich immer gemocht, wusste aber nie, wie ich es dir sagen sollte. Warum hast du mich nicht verführt? Das Traumbild eines jeden Mannes, eines jeden Jungen. Ich legte meinen Arm um sie, und sie schloss die Augen und tastete mit ihrer Nasenspitze nach meinem Ohr. Ihre Lippen glitten sanft meinen Nacken hinab. Ich bemerkte, dass Gotanda mit seinem Mädchen verschwunden war. Vermutlich hatten sie sich ins Schlafzimmer verzogen. Könntest du das Licht ein bisschen dimmen? bat sie mich, und ich schaltete die Deckenbeleuchtung aus, sodass nur noch die kleine Tischlampe brannte. Bob Dylan sang gerade It’s all over now, baby blue.
»Zieh mich aus, ganz langsam«, flüsterte sie mir ins Ohr. Also zog ich ihr erst den Pullover aus, dann den Rock, die Bluse und die Strümpfe – ganz langsam. Automatisch faltete ich ihre Sachen zusammen, besann mich dann aber. Dann entkleidete sie mich. Armani-Schlips, Levis, T-Shirt. Sie stand in knappem BH und Slip vor mir.
»Und?«, fragte sie mich.
»Toll«, sagte ich. Sie hatte einen phantastischen Körper. Schön, vital, makellos und sexy.
»Wie toll?« feuerte sie mich an. »Beschreib mal etwas genauer. Je besser du es tust, umso mehr werde ich dich verwöhnen.«
»Es erinnert mich an früher. An meine Oberschulzeit«, sagte ich aufrichtig.
Sie kniff einen Moment ungläubig die Augen zu, blickte mich dann aber lächelnd an. »Du bist ein wenig eigenartig, was?«
»Habe ich was Falsches gesagt?«
»Überhaupt nicht«, sagte sie. Dann kam sie zu mir und tat Dinge, die noch niemand in meinem ganzen vierunddreißigjährigen Leben mit mir gemacht hatte. Gewagte, aufregende Dinge, auf die man nicht so ohne weiteres käme. Doch irgendjemandem waren sie offensichtlich eingefallen. Meine Nervosität legte sich, ich schloss die Augen und gab mich ganz dem Strom der Wollust hin. Diese Art von Sex war ganz anders als alles, was ich bisher erlebt hatte.
»Nicht schlecht«, sagte ich. Es lief immer noch Bob Dylan. Welchen Song sang er jetzt? A Hard Rain’s A-Gonna Fall. Ich nahm sie zärtlich in die Arme. Sie kuschelte sich weich an mich. Wann kann man schon zu Bob-Dylan-Musik mit einer phantastischen Frau schlafen und das Ganze von der Steuer absetzen? In den guten alten sechziger Jahren war das jedenfalls undenkbar gewesen.
Alles nur Bilder, meldete sich mein Verstand. Ein Knopfdruck, und alles ist weg. Eine Sexszene in 3-D. Verfeinert mit erotischem Eau-de-Cologne-Duft, weicher Haut und heißem Atem. Ich folgte dem vorgeschriebenen Kurs und ejakulierte, worauf wir beide im Badezimmer eine Dusche nahmen. Nur in Badetücher gewickelt, kehrten wir ins Wohnzimmer zurück, hörten Dire Straits und andere Platten und nippten an unseren Brandys.
Sie fragte mich, worüber ich schriebe. Ich erklärte es ihr kurz, worauf sie meinte, es klinge nach einem interessanten Job. Je nachdem, erwiderte ich. Meine Arbeit sei kulturelles Schneeschaufeln. Dann würde sie sinnlichen Schnee schaufeln, sagte sie. Ich musste lachen. Ob ich nicht Lust hätte auf eine Runde gemeinsames Schneeschaufeln? Wir wälzten uns auf dem Teppich. Diesmal trieben wir es ganz simpel, nicht so ausgedehnt. Und sie wusste wieder ganz genau, wie sie mir Lust bereiten konnte. Wie schafft sie das bloß? wunderte ich mich.
Später, als wir ausgestreckt in Gotandas luxuriöser Badewanne lagen, fragte ich sie nach Kiki. »Kiki«, wiederholte sie. »Von ihr habe ich schon lange nichts mehr gehört. Kennst du sie?«
Ich nickte.
Sie schürzte die Lippen wie ein kleines Mädchen und holte tief Luft. »Sie ist nicht mehr da. Plötzlich war sie verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Wir waren ziemlich
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