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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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seinem Handgelenk angezogen, die so imposant funkelte, dass ich blinzeln musste. Nachdem er mich gleich zu Anfang für den Bruchteil einer Sekunde gemustert hatte, ignorierte er mich nun vollständig. Es war ein Blick, als hätte er eine Fußmatte begutachtet. Trotz meiner Armani-Krawatte war ihm augenblicklich klar, dass ich kein Prominenter war. Er und Gotanda hielten Small Talk: wie es momentan so liefe, dass man sehr beschäftigt sei, demnächst mal wieder Golf spielen wolle und so weiter. Irgendwann verabschiedete sich der Rolexträger mit einem neuerlichen Schulterklopfen und einem »Bis demnächst« von Gotanda und verzog sich.
    Nach seinem Abgang zog Gotanda ein paar Millimeter die Augenbrauen hoch und gab dann dem Ober ein Zeichen, er möge die Rechnung bringen. Er unterschrieb, ohne einen Blick darauf zu werfen.
    »Geht auf mich. Läuft sowieso alles unter Spesen«, erklärte er. »Es geht nicht um Geld, nur um Spesen.«
    Ich bedankte mich für die Einladung.
    »Das ist keine Einladung. Ich sag dir doch, alles Spesen«, erwiderte er tonlos.

19
    Anschließend fuhren wir in seinem Mercedes zu einer Bar in einer Seitenstraße in Anzabu. Wir setzten uns ans Ende der Theke und bestellten diverse Cocktails. Gotanda schien ziemlich viel zu vertragen, er wirkte überhaupt nicht betrunken. Weder lallte er, noch wurde sein Blick glasig. Er redete munter weiter. Über die Hohlheit der Fernsehanstalten. Über die schwachsinnigen Sendeleiter. Über all die Möchtegern-Talente, die er zum Kotzen fand. Über die Pseudokritiker, die in Nachrichten-Shows auftraten. Er war ein guter Geschichtenerzähler, eloquent und scharfsinnig in seinen Beobachtungen.
    Dann wollte er mehr über mich erfahren. Wie mein Leben so verlaufen sei. Ich lieferte eine geraffte Version meiner Lebensgeschichte. Erzählte von dem Büro, das ich nach der Uni mit einem Freund betrieben hatte. Dass wir für Werbeagenturen und Redaktionen gearbeitet hatten, dass es gut lief, ich aber aufgrund gewisser Umstände ausgestiegen war. Ich sprach über meine Heirat und meine Scheidung. Erwähnte meine derzeitige freiberufliche Tätigkeit als Journalist, dass ich nicht viel verdienen würde, aber auch keine Zeit hätte, Geld auszugeben. Ich wunderte mich, wie ruhig es klang, als ich mein Leben rekapitulierte. Als wäre es gar nicht meine Geschichte.
    Die Bar begann sich zu füllen, was die Unterhaltung erschwerte. Außerdem starrten einige Gäste zu Gotanda rüber. »Lass uns zu mir gehen«, sagte er. »Ich wohne ganz in der Nähe. Da stört uns keiner, und was zu trinken gibt’s auch.«
    Seine Wohnung lag ein paar Ecken weiter. Gotanda schickte den Chauffeur nach Hause. Imposante Behausung. Es gab zwei Fahrstühle. Für einen brauchte man einen speziellen Schlüssel.
    »Die Wohnung hat mir meine Agentur besorgt, als die Scheidung lief und ich zu Hause rausgeflogen bin. Sie konnten doch einen berühmten Filmstar, der von seiner Frau vor die Türe gesetzt wurde, nicht einfach in einer billigen Bruchbude hausen lassen. Das wäre schlecht für mein Image. Natürlich zahle ich Miete. Offiziell vermietet die Agentur die Wohnung an mich. Die Miete läuft über mein Spesenkonto. Perfektes Zusammenspiel.«
    Es war ein Penthouse mit einem geräumigen Wohnzimmer, zwei weiteren Zimmern, einer Küche und einer Dachterrasse, von der man den Tokyo Tower deutlich sehen konnte. Die Einrichtung war recht geschmackvoll. Die simple, puristische Ausstattung hatte sicher einiges gekostet. Auf dem Parkettboden lagen prachtvolle Perserteppiche in verschiedenen Größen. Das stattliche Sofa war weder zu hart noch zu weich. Üppige Topfpflanzen in Kübeln waren effektvoll arrangiert. Die Beleuchtung war modernes italienisches Design, das Dekor sparsam. Lediglich ein paar Teller aus der Zeit der Ming-Dynastie auf dem Sideboard. Nirgendwo ein Staubkörnchen. Vermutlich kam täglich eine Putzfrau vorbei. Auf dem Tisch lagen GQ-Hefte und Architekturzeitschriften herum.
    »Hübsche Wohnung«, lobte ich.
    »Wie im Filmstudio, nicht wahr?«
    »So kann man es sehen«, erwiderte ich und ließ nochmals meinen Blick durchs Zimmer schweifen.
    »Das kommt dabei raus, wenn man alles einem Innenarchitekten überlässt. Wie eine Kulisse. Äußerst fotogen. Manchmal klopfe ich gegen die Wände, um mich davon zu überzeugen, dass sie keine Attrappen sind. Steril, kein Hauch von Leben. Aber hübsch anzusehen.«
    »Na, dann solltest du hier eben deine persönlichen Geruchsmarken

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