Tanz mit dem Schafsmann
bin da wirklich ratlos. Aber weißt du was? Vorigen Monat habe ich mit ihr geschlafen.«
»Mit deiner Geschiedenen?«
»Ja. Findest du das pervers?«
»Nein, das nicht gerade«, erwiderte ich.
»Sie kam hierher. Aus welchem Grund, weiß ich auch nicht. Rief vorher an, dass sie gerne vorbeischauen würde. Klar, komm nur, habe ich gesagt. Wir haben etwas getrunken und geredet wie in alten Zeiten und landeten natürlich im Bett. Es war toll. Sie sagte mir, sie liebe mich immer noch, und ich gestand ihr, wie sehr ich mir wünschte, noch einmal mit ihr von vorn anzufangen. Aber darauf ist sie nicht eingegangen. Sie hat sich das nur angehört und gelächelt. Ich habe ihr von einem normalen Leben vorgeschwärmt. So wie ich es dir gerade geschildert habe. Sie saß nur da und lächelte, doch in Wirklichkeit hat sie gar nicht zugehört. Von Anfang an nicht. Als würde man gegen eine Wand reden. Keine Reaktion. Vergeudete Liebesmüh. Sie hatte sich bloß allein gefühlt und wollte mit jemandem kuscheln. Und ich war eben gerade verfügbar. Nicht gerade sehr schmeichelhaft für mich, aber so ist es. Sie lebt in einer völlig anderen Welt. Wenn sie sich einsam fühlt, muss nur jemand da sein, der dieses Gefühl vertreibt, dann ist alles wieder in Ordnung. Sie würde keinen Schritt weiter gehen. Ich bin da anders.«
Die Platte war zu Ende, es herrschte einen Augenblick Stille. Er hob den Tonarm hoch und schien über etwas nachzudenken.
»Was hältst du davon, ein paar Mädchen herzubestellen?«
»Meinetwegen. Wenn dir danach ist«, antwortete ich.
»Hast du schon mal käuflichen Sex gehabt?«
»Niemals«, sagte ich.
»Warum nicht?«
»Kam mir gar nicht in den Sinn«, antwortete ich ehrlich.
Gotanda zuckte die Schultern und überlegte kurz. »Heute Nacht solltest du es mal ausprobieren. Ich werde das Mädchen bestellen, das immer zusammen mit Kiki kam. Vielleicht weiß sie etwas über sie.«
»Tu ganz, was du willst«, erwiderte ich. »Sag mal, fällt das etwa auch unter Spesen?«
Er füllte lachend sein Glas mit Eiswürfeln auf. »Ja. Kaum zu glauben, was? Der Club ist nämlich als Partyservice getarnt. Sie stellen einwandfreie Rechnungen aus. Das System ist so undurchschaubar, dass man ihnen nur schwerlich auf die Schliche kommen kann. Sex als Bewirtungskosten. Verrückte Welt, was?«
»Fortgeschrittener Kapitalismus«, sagte ich.
Während wir auf die Mädchen warteten, kamen mir Kikis wundervolle Ohren in den Sinn. Ich fragte Gotanda, ob er sie je gesehen hätte.
»Ihre Ohren?«, fragte er leicht verwundert. »Nein, die habe ich nicht bemerkt. Oder vielleicht doch, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Was war denn mit ihren Ohren?«
»Ach, nichts weiter«, sagte ich.
Es war kurz nach Mitternacht, als die Mädchen eintrafen. Eine davon war die atemberaubende Schönheit, von der Gotanda so geschwärmt hatte. Sie war in der Tat umwerfend. Die Sorte Frau, die einem unvergesslich bleibt, auch wenn man ihr nur kurz begegnet und nicht einmal mit ihr geredet hat. Eine Frau, von der Männer ewig träumen. Weder schrill noch mondän. Trenchcoat, grüner Kaschmirpulli, schlichter Wollrock. Außer ein paar Ohrsteckern trug sie keinen Schmuck. Wie eine Studentin.
Die andere Frau trug ein Kleid in dezenten Farben und eine Brille. Ich wusste gar nicht, dass es bebrillte Prostituierte gab. Sie war zwar nicht so umwerfend wie die andere, aber doch attraktiv – schlaksige Glieder und ein sonnengebräunter Teint. Sie sagte, sie habe die letze Woche in Guam am Strand verbracht. Ihr kurzes Haar war ordentlich mit Haarspangen zusammengehalten. Sie trug ein Silberarmband. Ihre flinken Bewegungen und die straffe Haut erinnerten an eine geschmeidige Raubkatze.
Ich musste an die Oberschulzeit denken. Diese beiden unterschiedlichen Typen konnte man in jeder Klasse finden – die elegante Schöne und die quirlige Attraktive. Es war wie bei einem Klassentreffen. Oder besser gesagt, wie bei einem gemeinsamen Umtrunk danach, mit Gleichgesinnten in entspannter Atmosphäre. Mag albern klingen, diese Assoziation, aber solch ein Gefühl hatte ich. Ich verstand jetzt, was Gotanda mit »entspannt« gemeint hatte. Er schien mit beiden Sex gehabt zu haben, denn sie begrüßten sich ganz locker. »Na, wie geht’s denn?« – in diesem Stil. Gotanda stellte mich als ehemaligen Klassenkameraden vor, der inzwischen mit Schreiben sein Geld verdiente. Sie begrüßten mich mit einem warmen Lächeln nach dem Motto »Keine Sorge, wir sind doch alle
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