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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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gut befreundet, sind zusammen einkaufen oder irgendwo was trinken gegangen. Dann ist sie abgetaucht, ohne Bescheid zu sagen. Vor einem Monat etwa, oder etwas früher. Aber das ist nichts Ungewöhnliches in diesem Gewerbe. Man reicht keine Kündigung ein, sondern steigt einfach aus, ohne Erklärung. Schade, dass sie nicht mehr da ist. Wir haben uns gut verstanden. Aber so läuft das eben. Wir sind nun einmal keine Pfadfinderinnen.« Sie streichelte meinen Bauch und fuhr sacht über meinen Schwanz. »Hast du mit Kiki geschlafen?«
    »Wir haben sogar zusammengelebt, vor etwa vier Jahren.«
    »Vor vier Jahren?«, wiederholte sie mit einem Lächeln. »Ziemlich lange her, die Geschichte. Vor vier Jahren war ich noch ein unschuldiges Schulmädchen.«
    »Hast du irgendeine Idee, wo ich Kiki finden könnte?«, fragte ich.
    »Ziemlich schwierig, schätze ich. Keine Ahnung, wo sie jetzt steckt. Wie gesagt, sie hat sich einfach aus dem Staub gemacht, aus heiterem Himmel. Ich wüsste wirklich nicht, wo du nach ihr suchen könntest. Sag mal, hängst du noch an ihr?«
    Ich streckte mich in der Wanne aus und blickte zur Decke empor. Liebte ich Kiki immer noch? »Weiß ich auch nicht, ehrlich gesagt. Aber das spielt eigentlich keine Rolle, ich muss sie einfach sehen, unbedingt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie nach mir verlangt. Andauernd träume ich von ihr.«
    »Komisch«, sagte sie und sah mich an. »Ich träume nämlich auch manchmal von Kiki.«
    »Was sind das für Träume?«
    Sie antwortete nicht darauf, sondern sagte nur lächelnd, sie würde gern etwas trinken. Wir gingen ins Wohnzimmer zurück, hockten uns auf den Boden und hörten bei einem Drink Musik. Sie schmiegte sich an meine Brust, und ich legte meinen Arm um ihre nackten Schultern. Gotanda und sein Mädchen ließen sich nicht blicken. Vermutlich eingeschlafen.
    »Du nimmst es mir wahrscheinlich nicht ab«, sagte sie, »aber es macht richtig Spaß mit dir. Ehrlich. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich arbeite oder eine Show abziehe. Glaubst du mir das?«
    »Ich glaube es dir«, sagte ich. »Ich genieße es auch. Es ist so entspannend. Wie bei einem Klassentreffen.«
    »Du bist wirklich eigenartig«, sagte sie und kicherte.
    »Um noch mal auf Kiki zurückzukommen«, hakte ich nach, »gibt es sonst jemanden, der etwas wissen könnte? Ihren richtigen Namen, ihre Adresse oder dergleichen?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Über solche Dinge wird nie gesprochen. Wir haben alle Pseudonyme. Kiki. May – das bin ich. Die andere heißt Mami. Unsere Namen bestehen immer nur aus zwei Katakana-Silben. Wir wissen nichts über das Privatleben der anderen und fragen auch nicht nach. Es sei denn, jemand erzählt von sich aus. Das ist so Sitte bei uns. Wir kommen gut miteinander klar, gehen manchmal zusammen aus. Aber das hat nichts mit dem wirklichen Leben zu tun. Keine von uns weiß, was die andere für ein Mensch ist. Ich bin May. Sie ist Kiki. Wir führen kein reales Leben. Wir existieren nur als Traumbilder, als Luftgebilde. Puff! Unsere Namen sind nichts als Zeichen, die an den Illusionen haften. Deshalb respektieren wir unsere artifiziellen Images gegenseitig. Verstehst du?«
    »Nur zu gut«, erwiderte ich.
    »Einige Kunden bedauern uns, aber wir tun es nicht nur für Geld. Wir haben auch unseren Spaß dabei. Da der Club strikt auf die Mitgliedschaft achtet, haben wir nur ausgewählte Kunden, die sich mit uns vergnügen wollen. Wir alle haben unseren Spaß in dieser künstlichen Welt.«
    »Vergnügliches Schneeschaufeln«, sagte ich.
    »Genau«, erwiderte sie. Dann küsste sie meine Brust. »Manchmal ist es auch eine Schneeballschlacht.«
    »May«, sagte ich. »Ich kannte mal ein Mädchen, das hieß wirklich so. Sie war Sprechstundenhilfe in der Zahnarztpraxis neben meinem Büro. Stammte aus einer Bauernfamilie in Hokkaido. Alle nannten sie May, das Zicklein. Sie war dünn und hatte einen dunklen Teint. Ein nettes Mädchen.«
    »May, das Zicklein«, wiederholte sie. »Und wie heißt du?«
    »Puh, der Bär«, erwiderte ich.
    »Wie im Märchen«, sagte sie. »Klasse! May, das Zicklein und Puh, der Bär.«
    »Wie im Märchen«, sagte ich.
    »Küss mich«, bat sie. Ich nahm sie in die Arme und küsste sie. Es war ein wundervoller Kuss. Ein nostalgischer Kuss. Dann tranken wir unseren soundsovielten Brandy-Soda und hörten Police. Schon wieder so ein idiotischer Name für eine Band. Wie kann man sich nur so nennen? Während ich noch darüber nachdachte, war sie

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