Tanz mit dem Teufel
Treppe hinauf und betrat den im Halbdunkel liegenden Kirchenraum, in dem es schwach nach Zedernholz duftete. Ihn empfing eine Aura von Kargheit und Strenge wie aus einem Bergman-Film, sodass es ihn nicht überrascht hätte, wenn ihm Gunnar Björnstrand entgegengekommen wäre. Doch er sah nur einen jungen blonden Priester, der am Altar kauerte und an einer offenbar kaputten Steckdose herumbastelte. Weil er vergessen hatte, den Strom abzustellen, bekam er prompt einen gewischt, als er einen Draht berührte. Unwillkürlich entfuhr ihm ein herzhaftes »Scheiße!«. Er machte ein verzweifeltes Gesicht. Mit seiner Tolle über der Stirn sah er aus wie ein zum Geistlichen mutierter Hillbilly.
Er entschuldigte sich bei Spandau für das Kraftwort. »Sagen Sie mal, kennen Sie sich vielleicht mit so was aus? Wir brauchen die Steckdose unbedingt für unsere Hammondorgel. Der Elektriker wollte sechzig Dollar, bloß um sie sich mal anzusehen. Ist natürlich Methodist. Wenn er Katholik wäre, hätte ich ihn vielleicht noch runterhandeln können.«
»Haben Sie eine neue Steckdose da?«
Der Priester hielt die Schachtel hoch.
»Wissen Sie, wo der Sicherungskasten ist?«
»Ich glaub schon«, sagte der Priester. »Wieso?«
»Wenn Sie keinen Schlag bekommen wollen, müssen Sie erst den Saft abdrehen.«
»Wieso wusste ich das nicht? Gott mag mir zwar das eine oder andere Talent verliehen haben, nur leider keinen Sinn für Technik. Ich bin eher in Disziplinen wie Buchhaltung bewandert.«
Der Priester ging Spandau voraus in einen kleinen Nebenraum und öffnete die Tür eines Wandschranks.
»Meinen Sie das hier?«
Spandau nickte. Er drehte die Sicherung raus. Sofort erloschen fast alle Lampen rings um den Altar.
»Herrje«, jammerte der Priester. »Was haben Sie denn nun gemacht?«
»Was am selben Stromkreis hängt, wird ebenfalls abgeschaltet. Keine Angst, die gehen gleich wieder an.«
»Wissen Sie wirklich, was Sie tun?«
»Mehr oder weniger. Falls ich trotzdem in Flammen aufgehe, versuchen Sie nicht, mich mit Weihwasser zu löschen, okay?«
Der Priester nickte ernst. Der Witz war bei ihm nicht angekommen. Spandau ließ sich den Schraubenzieher geben und nahm sich die Steckdose vor.
»Sie sind nicht Father Michael«, stellte er fest.
»Du liebe Güte, nein. Ich bin Father Paul. Michael sieht aus wie John Wayne. Ich werde sein Nachfolger; er geht nämlich dieses Jahr in den Ruhestand. Ich glaube fast, er hat hier die ganze Elektrik installiert.«
»Wo kann ich ihn finden?«
»Ich würde sagen, im Moment ist er am Fluss, um den Abendschwarm abzufangen – oder wie der Fachmann das nennt. Er ist ein fantastischer Fliegenfischer. Ein wahres Wunder, dass er noch nicht auf eine Klapperschlange getreten ist. Hier wimmelt’s nur so von den Viechern.«
»Sie sind wohl nicht von hier?«
»Ich komme aus Columbus, Ohio. Bei uns kriegt man es höchstens mal mit einem wütenden Waschbären zu tun. Hier dagegen soll es ja sogar echte Bären geben. Was um alles in der Welt mache ich, wenn ich einem Bären begegne? Ihn fragen, ob er die Beichte ablegen möchte?«
»Als Stadtmensch hat man es nicht leicht in der freien Natur.«
»Sprechen Sie aus Erfahrung?«
»Nein, ich bin auf dem Land groß geworden. Auf der Ranch meines Onkels in Flagstaff. Ziemlich öde für einen Jugendlichen.«
»Heutzutage ist es wahrscheinlich schon leichter, mit dem Internet und so. Ohne E-Mails und Blogs und Filme zum Downloaden würde ich es nicht aushalten. Sind Sie auch bei Facebook?«
»Nein.«
»Überall auf der Welt Kontakte. Wenn man sich das mal vorstellt. Ich hab unsere Kirche ins Netz gestellt, mit Website und Blog und allem Pipapo. Die Gemeinde ist weit verstreut, da ist das Netz ideal, um die Schäfchen zusammenzuhalten. Schauen Sie doch mal bei uns rein.«
»Sicher, danke.«
Nachdem Spandau die neue Steckdose eingebaut hatte, gab er Father Paul den Schraubenzieher zurück und drehte die Sicherung wieder rein. Die Lampen gingen an. Der Priester machte ein erleichtertes Gesicht.
»So, das müsste eine Weile halten«, meinte Spandau. »Wenn Sie mir dann noch erklären könnten, wie ich zu Father Michael komme?«
»Das mache ich gern, aber beim Angeln ist er meistens ganz schön knurrig.«
»Darauf muss ich’s ankommen lassen.«
»Vielleicht kann ich Ihnen ja auch weiterhelfen.«
»Ich mache eine Recherche fürs Fernsehen. HBO . Wir planen ein Doku-Feature über Jerry Margashack, und dafür soll ich jetzt hier oben ein bisschen seinen
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