Tanz mit dem Teufel
schön sortiert in Schubladen packen. Darüber mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr. Ich tue das, was Gott mir aufträgt. Alles andere überlasse ich ihm.«
»Jerry ist pleite und kämpft ums Überleben. Sein neuer Film hat Chancen auf einen Oscar, was seine Rettung wäre, aber irgendjemand versucht, ihm Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen. Jemand, der ihn und sein Privatleben kennt, setzt Skandalgeschichten über ihn in die Welt.«
»Und man hat Sie engagiert, um dem ein Ende zu machen?«
»Genau.«
»Sind das erlogene Geschichten, die da über ihn verbreitet werden?«
»Keine Ahnung.«
»Mit dieser Einstellung geraten Sie aber ganz schnell auf ein moralisches Minenfeld. Was, wenn sie wahr sind?«
»Das hat mich nicht zu interessieren.«
»Aha«, nickte der Priester. »Ich könnte Ihnen ein Dutzend Bibelstellen zitieren, die Ihnen das Gegenteil beweisen, aber das spare ich mir. Sie haben sich ja schon alles passend zurechtgebogen.«
»Und was ist mit: ›Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet‹?«
»›Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden‹. Matthäus 7«, konterte der Alte. »Die Leute schludern diesen Vers immer so locker dahin. Sie wollen doch wohl nicht so dumm sein, sich mit einem katholischen Priester auf eine theologische Diskussion einzulassen, oder?«
Er trank einen Schluck Scotch, beugte sich vor und sah Spandau in die Augen.
»Wenn man sich das Zitat genauer ansieht – was ich, wie Sie mir glauben dürfen, das eine oder andere Mal schon getan habe –, ist es doch nicht das moralische Schlupfloch, für das es alle zu halten scheinen. Im Grunde heißt es doch nichts anderes als ›Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu‹. Es bedeutet nicht, dass man über andere nicht urteilen darf, sondern nur, dass man dabei den gleichen Maßstab anlegen sollte, nach dem man selbst gern gemessen werden möchte. Also ganz einfach: Fairplay.«
Der Priester rülpste verhalten, schüttelte den Kopf und fuhr fort:
»Sie machen es sich zu leicht. Sie wollen überhaupt nicht gerichtet werden, sondern eine Du-kommst-aus-dem Gefängnis-frei-Karte ziehen. Doch die gibt es nicht. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir leben in einem moralischen Universum. Manche Dinge sind Ansichtssache, die meisten aber nicht. Nicht die, die zählen. Jeder kennt den Unterschied zwischen richtig und falsch. Man ist bloß oft zu verdammt träge, um sich daran zu halten. Sie sind genau wie alle anderen: Sie haben Schiss, sich für Ihre Entscheidungen verantworten zu müssen. Aber soll ich Ihnen was verraten? Das bleibt uns allen nicht erspart. Man wird auf jeden Fall gerichtet, ganz egal, was man tut. Manches wird einem unfair vorkommen, doch man muss lernen, damit zu leben, und das geht Ihnen gegen den Strich, nicht wahr? Man muss den Mumm haben, zu seinen Entscheidungen zu stehen. Am Ende, mein Bester, sind Sie ganz allein mit Gott, und dann kann ich Ihnen nur raten, die Schnauze zu halten und die Ohren aufzusperren.«
Er kippte den Rest von seinem Scotch, stand auf und nahm Spandau das noch halb volle Glas aus der Hand.
»Jetzt schmeiße ich Sie aber wirklich raus. Verschwinden Sie wieder in die Stadt der verlorenen Engel und lassen Sie uns hier oben in Frieden. Einen weiteren Besuch bei Father Paul können Sie sich sparen, der wird nicht mehr mit Ihnen reden. Außerdem kann man auf das, was er sagt, sowieso nicht viel geben. Er ist ein kleines bisschen unterbelichtet.«
Der Alte hielt Spandau die Tür auf. Draußen herrschte winterlich kühles Dunkel. Der Fluss rauschte, auf dem Highway rollten die Lastwagen vorbei. Spandau fühlte sich plötzlich einsam und verzagt. Am liebsten wäre er in dem vollgestopften kleinen Wohnwagen sitzen geblieben. Der Priester war echt ein Profi. Sogar sein Timing war perfekt. Der alte Brummbär hatte alles unter Kontrolle. Ihn erst in Grund und Boden predigen und ihn hinterher, seelisch angeknockt, in den Schnee rauskicken. Ob man das wohl im Priesterseminar lernte? Psychologisch war es auf jeden Fall sehr gut eingefädelt. Spandau kam sich wie ein Idiot vor. Trotzdem konnte er sich einer gewissen Bewunderung nicht erwehren, wie souverän der Alte ihn aufs Kreuz gelegt hatte. Obwohl … Im Grunde hatte der streitbare Gottesmann auch nur Fragen aufgeworfen, die ihn ohnehin schon genug beschäftigten.
Nachdem Spandau die kleine Treppe
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