Tanz mit dem Teufel
Hat dir Jesus auf die Schulter getippt und dir exklusiv einen Einblick in die menschliche Seele gewährt?«
»Ich habe das Recht, eine moralische Wahl zu treffen.«
»Hast du nicht«, sagte Walter. »Wir kommst du denn auf den Schwachsinn? Werd endlich erwachsen, du Penner. Bei unserer Arbeit geht’s nicht um Moral, sondern darum, den Job zu erledigen, den man angenommen hat. Hat dich irgendeiner angeheuert, um eine Vergewaltigung aufzuklären?«
Spandau hielt es nicht länger in seinem Sessel.
»Du setzt dich jetzt sofort wieder hin«, sagte Walter.
»Wenn du glaubst, dass ich darüber mit dir diskutiere, hast du dich geschnitten.«
»Wer will denn hier diskutieren? Ich nicht. Ich will dir nämlich eine Gardinenpredigt halten. Pflanz dich hin und sperr gefälligst die Ohren auf.«
Spandau wäre am liebsten auf der Stelle aus dem Zimmer gestürmt, doch dann bemerkte er den Blick, mit dem sein Freund zu ihm hochsah. Es lag nicht etwa Wut darin, sondern Besorgnis.
»So läuft es nun mal nicht«, sagte Walter.
»Soll heißen, der Klient hat immer recht, auch wenn er das Leben eines unschuldigen Menschen zerstört?«
»Obwohl es keinerlei Beweise gibt, hast du ihn bereits für schuldig befunden und abgeurteilt. Aber sogar wenn er es tatsächlich getan hätte, dürfte dich das nicht jucken. Dafür ist es zu spät. Weil du den Fall angenommen hast.«
»Ich glaub’s einfach nicht. Dass du ein harter Hund bist, ist ja nun wirklich nichts Neues, aber eine solche Kaltschnäuzigkeit hat sogar bei dir Seltenheitswert.«
»Wir werden engagiert, um einen Auftrag zu erledigen, und nicht, um moralische Urteile zu fällen. Ich sag dir jetzt dasselbe, was mir mal ein Strafverteidiger geantwortet hat, als ich ihn gefragt habe, ob er vor Gericht schon mal jemanden vertreten hätte, von dessen Schuld er überzeugt war. Aber klar, hat er gesagt, dauernd. Da wollte ich wissen, wie er das mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Weil er nicht für den Angeklagten kämpft, hat er gesagt, sondern für dessen Rechte. Was hinterher mit ihm passiert, interessiert ihn nicht die Bohne, das sei nicht seine Aufgabe. Wenn er sich diese Tatsache nicht immer wieder vor Augen hielte, wäre er moralisch dermaßen verunsichert, dass er seine Arbeit überhaupt nicht mehr machen könnte.«
»Ich bin aber nicht Jerry Margashacks Anwalt.«
»Bist du nicht, nein. Dich hat keiner angeheuert, um ihn zu verteidigen oder zu verurteilen. Das ist nicht deine Aufgabe. Soll sich jemand anderer darum kümmern. Dein Job besteht lediglich darin, herauszufinden, wer die Informationen über ihn an die Medien durchsickern lässt. Dabei bleibt die Moral außen vor. Sie kommt überhaupt nur höchst selten ins Spiel. Aber wenn du nicht schleunigst von deinem hohen Ross runtersteigst, wird es dir auch so gehen, dass du deine Arbeit nicht mehr machen kannst. Und das beunruhigt mich. Außerdem ermittelst du noch nicht mal für Jerry Margashack, sondern für Frank Jurados Produktionsfirma. Du hast den Auftrag angenommen, obwohl du ganz genau weißt, was für ein Drecksack Jurado ist. Wie bringst du das mit deinen hehren Moralvorstellungen unter einen Hut? Würde mich sehr interessieren.«
»Du hast recht, ich hätte mich nie mit ihm einlassen dürfen.«
»Ich möchte dich nur warnen. Du willst immer das Beste, aber aus den falschen Gründen. Bis jetzt ist es noch jedes Mal gut gegangen, aber früher oder später fällst du damit voll auf die Fresse. Eines schönen Tages wirst du auf einem deiner Gutmenschenkreuzzüge eine emotionale Entscheidung zu viel fällen, und dann muss irgendwer dafür den Kopf hinhalten. Das Leben ist kein Krippenspiel. Man macht seine Arbeit, tut seine Pflicht. Lässt sich nicht vom Weg abbringen, guckt nicht nach links oder rechts. Klar, manche Aufträge sind beschissen, und wenn man sie erledigt hat, möchte man am liebsten kotzen. Aber ganz egal, wie du persönlich dazu stehst: Vertrag ist Vertrag.«
»Du und Eichmann und die Banalität des Bösen, ja?«
»Geht’s nicht noch ein bisschen kindischer?«, sagte Walter. »Du hörst dich schon fast an wie Dee. Aber die Welt ist komplizierter. Wobei mir einfällt, es wäre mir sehr lieb, wenn sich meine Angestellten etwas weniger in mein Privatleben mischen würden.«
»Pookie macht sich eben Sorgen um dich.«
»Ich meine nicht nur Pookie.« Walter verlagerte sein Gewicht und verzog gequält das Gesicht. »Falls du irgendwann mal wieder aus deinen höheren Sphären zu uns
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