Tanz mit dem Tod (19) - Robb, J: Tanz mit dem Tod (19) - Visions in Death (19)
sicher keine Ahnung, dass ihr diese Gefühle anzusehen waren, und er hegte ernste Zweifel, dass irgendjemand außer ihm sie jemals sah. Doch sie waren da und trieben sie an, während sie das letzte Werk eines Verrückten filmte.
Sie würde die Tote und sämtliche Details studieren. Würde garantiert nichts übersehen. Doch sie sah niemals nur den Mord. Sie sah immer auch den Menschen, der getötet worden war. Wodurch sie sich von vielen ihrer Kollegen unterschied.
Sie war ein wenig schlanker als die anderen Opfer, dachte Eve. Nicht ganz so wohl gerundet. Zarter und vielleicht ein bisschen jünger. Aber sie passte trotzdem noch ins Bild. Lange, hellbraune, fast glatte Haare. Wahrscheinlich war sie hübsch gewesen, doch das war jetzt nicht mehr zu erkennen. Denn ihr Gesicht war ruiniert.
Sie war heftiger verprügelt worden als Elisa Maplewood. Anscheinend fand er immer größeren Gefallen an
diesem Teil von seinem Werk. Oder er konnte sich nicht mehr so gut beherrschen wie beim letzten Mal.
Er hatte sie bestraft. Hatte den Menschen, für den sie stand, bestraft.
Hatte sie zerstört. Hatte das, wofür sie stand, zerstört.
Wer auch immer sie war, er hatte nicht sie getötet, sondern eine andere Frau. In wessen Gesicht hatte er geblickt, als er die Kordel zugezogen hatte? Wessen Augen hatten, anfangs panisch und dann leblos, zurückgestarrt?
Nachdem sie die Position der Leiche und die äußeren Verletzungen aufgezeichnet hatte, griff sie, um die Fingerabdrücke zu nehmen, nach einer Hand der toten jungen Frau.
»Lieutenant«, rief im selben Augenblick Officer Queeks. »Ich glaube, wir haben den Tatort gefunden.«
»Sperren Sie ihn ab. Sichern Sie ihn, Queeks. Ich will nicht, dass irgendjemand dort herumläuft.«
»Zu Befehl, Madam.«
»Das Opfer wurde anhand der Fingerabdrücke als Lily Napier identifiziert. Achtundzwanzig Jahre. Wohnhaft Vesey Street 292, Appartement 5C.«
Und ob du hübsch warst, Lily, dachte Eve, als sie das Foto auf dem Bildschirm ihres Handcomputers sah. Wenn auch vielleicht ein wenig zu schüchtern. Und ein wenig zu weich.
»Angestellt im Grillrestaurant O’Hara’s in der Albany Street. Du wolltest also zu Fuß von der Arbeit nach Hause gehen, nicht wahr? So weit ist es schließlich nicht. Hast dir das Geld für die Fahrkarte gespart, es ist eine warme Nacht, und du bist hier zu Hause. Ein paar Meter durch den Park und schon wärst du daheim gewesen.«
Sie setzte sich eine Mikrobrille auf und sah sich Lilys
Hände und Fingernägel an. Sie war immer noch ein wenig warm.
»Sieht aus wie Erde und ein bisschen Gras, vielleicht finden wir ja auch noch ein paar Fasern oder sogar etwas Haut. Ein gebrochenes Handgelenk und anscheinend ein gebrochener Kiefer. Mehrere Abschürfungen im Gesicht, am Oberkörper und an beiden Schultern. Er hat dich wirklich übel zugerichtet, Lily. Wahrscheinlich auch vergewaltigt. Du blutest aus der Vagina. Auch die Oberschenkel und der Genitalbereich weisen Abschürfungen auf. Und hier sind ein paar Fasern fürs Labor.«
Sie arbeitete gründlich und zuckte kein einziges Mal zusammen, als sie die winzig kleinen Fasern von Lilys Körper zupfte und aus ihrer Scheide zog.
Sie steckte sie in eine Plastiktüte und drückte dann die Tüte zu.
Obgleich ein Teil von ihr sich am liebsten übergeben hätte wie der junge Polizist, auch wenn ein Teil von ihr bei dem Gedanken an die Vergewaltigung am liebsten laut geschrien hätte, fuhr sie mit ihrer Arbeit fort.
Immer noch die Brille auf der Nase, beugte sie sich über das Gesicht der Toten und betrachtete die blutigen Höhlen, wo bis vor kurzem die Augen gewesen waren.
»Saubere, glatte Schnitte, ähnlich wie bei Elisa Maplewood.«
»Dallas.«
»Peabody.« Sie blickte sich nicht um und fragte sich auch nicht, weshalb ihr wieder einmal das verräterische Klappern von Peabodys Uniformschuhen entgangen war. »Der Tatort liegt ein wenig südlich. Queeks war als Erster hier und hat alles abgesperrt.«
»Die Spurensicherung ist bereits unterwegs.«
»Nehmen Sie einen Teil der Leute mit und suchen Sie auf dem Weg vom Tatort bis hierher nach Abdrücken
im Gras. Aber lassen Sie alles unverändert, bis ich selber dort bin.«
»Okay. Die Beamten aus dem Streifenwagen haben sie gefunden?«
»Nein.« Jetzt richtete Eve sich auf. »Celina Sanchez hatte wieder eine Vision.«
Eve beendete die Inaugenscheinnahme der Toten und des Fundorts und ging dann dorthin, wo Roarke hinter der von Queeks errichteten Absperrung
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