Tanz mit mir - Roman
Handy hervor, das sie während ihrer Heimfahrt lautlos gestellt hatte. Sie hatte zwölf entgangene Anrufe, und es klingelte schon wieder.
Jo. Zu Hause.
»Ist es Jo?«, fragte Ross.
»Ja. Hallo?«, rief sie.
Ross deutete mit einer Hand in Richtung des Wohnzimmers und konzentrierte sich dann wieder auf das Chaos in der Küche. »Wow, Molly! Das sind die besten Haferkekse, die ich je gesehen habe!«, hörte Katie ihn staunen. In seiner Stimme war kein Anzeichen der Sorge mehr zu erkennen, die er noch eine Sekunde zuvor gezeigt hatte. Er wollte die Kinder nicht beunruhigen. Das war einfühlsam und liebenswürdig. Eben typisch Ross, wie sie plötzlich feststellte.
Während er das aufgeregte Geschnatter der Mädchen übertönte, wogte eine Welle der Zuneigung über Katies schweres Herz hinweg. Ross war ein guter Vater. »Lässt du mich einen Keks probieren? Nein? Oh, bitte!« Die Mädchen kreischten vor Vergnügen.
Er ist liebenswert, dachte sie und ließ den Blick über seinen langen Rücken gleiten, als er sich vorbeugte, um Hannah zu umarmen, sodass sein T-Shirt hinten aus der Hose rutschte. Er ist behutsam.
»Katie?«, fragte Jo. Sie klang weit entfernt.
»Jo, ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Was ist passiert?«, platzte es aus Katie heraus. »Soll ich zu dir kommen?«
»Ähm, ja, bitte.« Jos Stimme klang ein wenig zu hoch und heiser, als würde sie versuchen, nach längerem Reden und
Schreien wieder normal zu klingen. »Wie geht es den Mädchen?«
»Gut, es geht ihnen gut. Sie backen Kekse mit Ross.«
»Oh Katie, er war heute Nachmittag so lieb! Ich weiß gar nicht, was ich ohne ihn getan hätte …« Jos Stimme zitterte. »Greg ist so ein gedankenloser Mistkerl! Er hat uns ausgerechnet vor der Spielgruppe abgefangen, und Rowan dachte natürlich, er käme uns abholen, und war dementsprechend aufgeregt. Doch deswegen war er nicht da, und Ross …« Sie schluckte. »Ross hat sich die Kinder gepackt. Da wusste ich, dass es ihnen bei ihm wenigstens gut geht.«
Katie hörte, wie Jo tief einatmete, und dann, abseits des Hörers, vernahm sie kehlige, erstickte Laute, die zu rau klangen, um sie als Schluchzer zu bezeichnen.
»Ist er noch da?«, fragte sie so ruhig wie möglich, obwohl sie wegen Gregs Grausamkeit innerlich vor Wut kochte. »Oder bist du allein?«
»Ja. Er ist weg.«
»Jo, Molly und Rowan können gern heute Nacht hier schlafen, wenn dir das recht ist«, erklärte Katie entschlossen. »Was du im Übrigen auch tun kannst. Aber ich komme erst einmal zu dir, okay? Brauchst du irgendetwas?«
»Oh Gott, wie soll ich das bloß Molly beibringen?«
Katie brach es fast das Herz, Jo am anderen Ende der Leitung schniefen zu hören. Ich bin ja wirklich eine schöne Freundin! Und eine schlechte Mutter dazu, dachte Katie schuldbewusst.
»Ich bin in fünf Minuten bei dir«, antwortete Katie schnell und legte auf.
Hannah hätte sie beinahe umgeworfen, als sie mit einer klebrigen Masse in den Händen aus der Küche gerannt kam.
»Mummy, Mummy, probier mal die Haferkekse!«
Aus Gewohnheit wollte Katie schon Hannahs sirupverschmierten Händen ausweichen, um ihren besten Anzug zu
schonen, doch dann hielt sie inne und ging in die Hocke. Sie nahm ihre Tochter in den Arm und atmete den Duft ihres kleinen Mädchens ein, das nach Haferflocken roch, die in seinen Haaren klebten. Katie schlang ihre Arme um Hannah und musste aufpassen, sie nicht zu fest an ihre Brust zu drücken.
»Ich habe dich lieb, Hannah«, erklärte sie. »Sehr sogar!«
»Ich hab dich auch lieb, Mummy!«, erwiderte Hannah ein wenig gedämpft. »Sogar noch lieber als Haferkekse!«
Katie fuhr die zwei Meilen zu dem neuen Haus, in dem die Fieldings lebten, und überlegte sich praktische, positive Dinge, die sie tun könnte, damit sich Jo keine Gedanken darum machen musste. Dies war ihre Art, mit aufregenden Dingen in ihrem Leben fertig zu werden: Sie konzentrierte alle Energie darauf, notwendige Dinge zu erledigen. Wenn es einem so richtig schlecht ging, brauchte man sich dann wenigstens nicht mehr damit herumzuärgern, zum Beispiel die Schlösser austauschen oder die Post umleiten …
Katie fuhr die Einfahrt hinauf, die für drei Autos angelegt war und auf der tiefe Furchen im Kies davon zeugten, dass Gregs BMW überstürzt abgefahren war. Das Haus war sehr groß und verfügte über Fenster im georgianischen Stil sowie einen schönen Wintergarten. Doch nur unten im Kinderzimmer brannte ein kleines, trübes Licht und leuchtete
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