Tanz mit mir - Roman

übersehen hatte.
    Angelica zog es hervor. Es war Tonys Lieblingskleid – das verführerische schwarze Jerseykleid, das zwar recht schlicht geschnitten, im Rücken jedoch v-förmig ausgeschnitten war, sodass ihre hageren Schulterblätter zur Geltung kamen. Das Kleid war in die Kiste geworfen worden, als sie Tony zum letzten Mal gesehen hatte, und dort war es dann geblieben, bis es zusammen mit ihren anderen Kleidern eingelagert worden
war, als sie mit Jerry nach Florida gezogen war. Neuer Partner, neue Kleider – das war die eiserne Regel.
    Angelica hielt das Kleid in den Händen und spürte, wie schwer es war. Dabei stellte sie sich vor, wie es an Katie aussehen würde, und wie es in akkuraten Falten über ihre schmalen Hüften und die schmale Taille fallen würde. Katie hatte schöne Beine – wenn man dann noch den langweiligen blonden Bob zurückgelte oder mit einer glitzernden Kopfbedeckung versah …
    Vielleicht.
    Angelica lächelte und seufzte dann.
    Wieder ein Kreis, der sich schloss. Und genau das war der Grund, warum sie nach Longhampton zurückgekehrt war.

29

    Lauren wachte am frühen Sonntagmorgen auf, und fast noch bevor sie die Augen überhaupt geöffnet hatte, war ihr erster Gedanke die Sorge um Bridget. Sie hatte am vorherigen Abend ein so sorgenvolles Gesicht gemacht und so alt und ängstlich ausgesehen! Gar nicht wie ihre zuverlässige, zuversichtliche, alterslose Mutter, sondern wie eine Frau im mittleren Alter, die ein riesengroßes Problem quälte.
    Der nächste Gedanke drehte sich um ihre Hochzeit und die Erkenntnis, dass weiße Pferde nun ein für alle Mal gestrichen waren.
    Reglos lag Lauren in ihrem warmen Bett und mühte sich ab, herauszufinden, wie sie sich fühlte und was sie nun tun sollte.
    Aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern nebenan war kein Laut zu hören. Lauren fragte sich, ob ihre Mum auch so daliegen würde und wegen der quälenden Geldsorgen nicht mehr schlafen konnte.
    Waren ihre Eltern zu alt, um noch eine Hypothek auf das Haus aufnehmen zu können? Was, wenn sie das Haus verkaufen müssten, um all die Rechnungen zu bezahlen? Müssten sie in ein kleineres Haus umziehen?
    Sie schloss die Augen, als ihr Herz zu rasen begann und Panik in ihr aufstieg.
    Tief einatmen, ermahnte sie sich. Dr. Bashir hatte ihnen beigebracht, dies zu sagen, wenn ein Patient in der Praxis zu
emotional wurde. Tief einatmen. Konzentriere dich auf die Luft, die du einatmest … und ausatmest. Einatmest … und ausatmest.
    Es tat gut, auszuatmen, doch sobald sie einatmete, hatte sie nicht nur den angespannten, besorgten Blick ihrer Mutter vor Augen, sondern auch den Ordner mit den Rechnungen und das Elend, das in ihrer glücklichen Ehe Einzug halten würde, wenn herauskommen sollte, dass Mum dies alles vor Dad geheim gehalten hatte.
    Dann hatte sie beim Ausatmen auf einmal die Croquembouche-Torte und das wunderschöne, märchenhafte Kleid vor Augen, die goldenen Buffetplatten, die fortgetragen und ersetzt wurden mit – ja, womit eigentlich? Ihre Traumhochzeit, die sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr geplant hatte, war geplatzt – einfach so. Sie würde diese Traumhochzeit nie bekommen.
    Allein der Gedanke daran schnürte ihr die Kehle zu, und sie riss die Augen auf.
    Ihr Blick fiel auf den Prospekt eines Schlosses in der näheren Umgebung, das man als Veranstaltungsort mieten konnte. Es verfügte sogar über einen Irrgarten, in dem man die Hochzeitsfotos machen konnte.
    »Komm schon, Lauren«, ermahnte sie sich laut. »Es wird schön werden. Ich werde Chris alles erzählen, und er weiß dann schon, was wir tun sollen.«
    Nach dieser Auseinandersetzung im Pub in der vergangenen Nacht war sie immer noch ein wenig sauer auf ihn. Aber alles in allem stimmte Lauren die Aussicht milder, in seine warmen Arme zu fallen und seine Hände über ihr Haar streicheln zu spüren. Außerdem rechnete sie fest damit, dass er ihr heute verzweifelt würde zeigen wollen, dass sie auf ihn zählen konnte. Chris und sie stritten sich nie. Jedenfalls nicht lange.

    Im Auto auf dem Weg zu Kians Wohnung sah alles schon gar nicht mehr so schlimm aus. Chris machte seinen Job beim Autohändler sehr gut; vielleicht könnte er einen Vorschuss auf seine Verkaufsprämien bekommen, sodass sie für die Hochzeit mehr aus der eigenen Tasche bezahlen könnten? Noch besser wäre es natürlich, wenn Chris Irene um Geld für die Hochzeit bitten würde. Immerhin bot sie immer wieder an, etwas zu den Feierlichkeiten beizusteuern.
    Außerdem gab