Tanz mit mir - Roman
jetzt übermäßig viele
Überstunden abverlangte, wäre sie auch gut und gerne ohne die freitagabendlichen Pflichten als Gastgeberin ausgekommen. Doch für die Chance, einen Abend mit sympathischen Erwachsenen verbringen zu können, hätte sie Berge versetzt.
»Tut mir leid, aber das Essen ist noch lange nicht fertig«, entschuldigte sie sich zum dritten Mal und versuchte verzweifelt, das Küchengarn von den Hähnchenschenkeln zu lösen, damit sie noch ein wenig Zitrone in das Innere des Vogels schieben konnte. Eine völlig überteuerte ungespritzte Zitrone, die sie acht Minuten zuvor noch im Tante-Emma-Laden um die Ecke gekauft hatte. »Ross hatte die letzte Zitrone aufgebraucht, um Madame – Hannah ist offenbar unter die Vegetarier gegangen – ein paar Pfannkuchen zu backen. Natürlich hat er mir das erst gesagt, als ich von der Arbeit nach Hause gekommen war und gerade mit den Essensvorbereitungen beginnen wollte – nachdem ich die Pfannkuchensauerei beseitigt hatte. Deswegen musste ich schnell noch einmal los zum Einkaufen, während er die Kinder gebadet hat und -«
Jo legte beschwichtigend eine Hand auf Katies Arm. »Katie. Beruhige dich mal wieder. Wir haben doch keine Eile.« Sie setzte das Weinglas neben dem Schneidebrett ab und schenkte nach. »Die Kinder sind im Bett, der Wein steht auf dem Tisch, unsere Ehemänner unterhalten sich über … irgendetwas, und es gibt keinen Babysitter, der sich um Mitternacht auf den Heimweg machen muss. Ich will nicht, dass du dich wegen des Essens so unter Druck setzt – mir ist es wirklich egal , wann es fertig ist. Wir zwei trinken jetzt erst einmal ein Glas Wein und entspannen uns.«
Katie verpasste der Zitrone einen letzten Stoß und schob das Huhn in den Bräter.
»Oder muss ich dir etwas unter den Wein mischen?«, fragte Jo. »Ich meine es ernst! Ich habe ein Beruhigungsmittel in meiner Handtasche.«
Katie verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich und hielt die Hände kurz unter den Wasserhahn. »Die Arbeit ist schuld. Das neue Projekt ist meiner Karriere sicher äußerst förderlich, aber jedes Mal, wenn ich das Büro auch nur für zehn Minuten verlasse, scheinen sie wieder eine neue Besprechung anzuberaumen.«
»Vergiss jetzt mal die Arbeit«, sagte Jo entschlossen. »Du bist jetzt zu Hause. Mit deinen Freunden und deinem Ehemann.«
Katie nahm einen kräftigen Schluck Wein. »Oh Gott«, seufzte sie und starrte hilflos auf das Hähnchen, das im Bräter lag, die Beine kläglich gespreizt, als warte es auf einen Abstrich.
»Wo ist denn jetzt schon wieder das Küchengarn, um alles festzubinden? Und ich habe vergessen, das Hähnchen zu wiegen. Wie lange würdest du es im Backofen lassen? Nur so ungefähr?«
»Hier.« Jo reichte ihr die Weinflasche und suchte in dem Chaos nach dem Küchengarn. »Lass mich das mal machen.«
Jo würde das Garn finden, dachte Katie. Sie war einfach so: ein Magnet im Haushalt, eine perfekte Göttin in den eigenen vier Wänden, jedoch ohne viel Wirbel darum zu machen. Das hatte sie gar nicht nötig. Alles rund um ihre Rolle als Mutter schien ihr mit links zu gelingen. Zwar hatte Jo nach Rowans Geburt ihr ursprüngliches Gewicht nicht wiedererlangt, obwohl sie Katie fest versprochen hatte, sie zur Rückbildungsgymnastik im Fitnesscenter zu begleiten. Doch tatsächlich sah sie jetzt besser aus als in schlankeren, früheren Zeiten, als sie noch ihre Makleranzüge getragen hatte. Jetzt trug sie oftmals wallende, fließende Röcke und weich fallende Kittelkleider. Dazu hatte sie Hüften bekommen, auf denen sich Babys instinktiv wohlzufühlen schienen, wenn sie sich behaglich an sie schmiegten. Jo verströmte gesunden Menschenverstand und Güte wie ein schokoladiges Parfum und war sich dabei überhaupt nicht bewusst, wie attraktiv sie dies machte. Sie
hatte etwas an sich, was unweigerlich den Wunsch weckte, sie zu berühren.
Zwar hatte Katie einen flacheren Bauch, aber sie war dennoch eifersüchtig auf Jo. Der Drang, Eddie Harding immer zwei Schritte voraus zu sein, hatte ihr zwar geholfen, sich schnell wieder in ihre alten Kostüme zu zwängen, doch die Konsequenz war, dass sie dadurch heute leider fünf Jahre älter aussah.
»Als du wieder angefangen hast zu arbeiten, hattest du dir fest vorgenommen, dich nicht von deinen Projekten in den Wahnsinn treiben zu lassen«, erinnerte sie Jo. »Ah, da haben wir ja das Küchengarn, sehr gut!«
Katie zögerte. »Es liegt nicht an der Arbeit,
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