Tanz mit mir - Roman
vielmehr …« Sie hielt inne, da sie nicht wollte, dass ihre schlechte Stimmung den Abend ruinierte. »Ich nehme an, es liegt daran, dass der Herbst allmählich Einzug hält. Ich hab’s gemerkt, als ich das Auto draußen geparkt habe. Es war verdammt kalt!«
Während sie sprach, peitschte eine kräftige Windböe um das Haus, ließ die Blätter in dem kleinen Garten rauschen und die ersten Regentropfen gegen das Fenster prasseln. Der lange Altweibersommer war nun endgültig vorbei, und eine schneidende Kälte lag in der Herbstluft.
»Ich liebe diese Jahreszeit«, erklärte Jo, schob ihre langen braunen Locken mit einer Klammer zurück und würzte das Huhn mit Salz und Pfeffer. Ein paar Locken, die sich wieder selbstständig gemacht hatten, schob sie sich geistesabwesend hinter das Ohr. »Du kannst dich kuschelig warm anziehen, sodass niemand deine Rettungsringe bemerkt, du hast immer eine gute Entschuldigung für eine heiße Tasse Kakao, und Molly liebt es, stundenlang im Herbstlaub zu spielen.«
»Schon, aber mach mal eine Baubesichtigung im strömenden Regen!«, entgegnete Katie. »Entschuldigung! Tut mir leid! Okay, ich höre ja schon auf. Kein Wort mehr über die Arbeit!«
Sie nahm einen weiteren Schluck Wein. Jetzt, da das Huhn
bratfertig und von den Kindern im oberen Geschoss immer noch kein Ton zu hören war, kam sie allmählich zur Ruhe.
»Ich finde deine Küche einfach toll«, stellte Jo plötzlich fest. »Sie ist so gemütlich und warm.«
»Bist du verrückt geworden?« Katie sah Jo mit großen Augen an. Ross hatte eigentlich das Haus auf Hochglanz bringen sollen, bevor die Fieldings zu Besuch kamen, doch wie immer hatte er den Nachmittag damit verbracht, ein noch größeres Chaos zu veranstalten und mit Hannah Verkleiden gespielt. »Siehst du denn nicht, wie dreckig es hier ist? Außerdem besteht unsere Küche aus zusammengewürfelten Küchenmöbeln aus dem Baumarkt!«
»Katie, Greg hat die Kartoffeldruckbilder der Kinder vom Kühlschrank abgenommen. Er meinte, sie würden den Lack beschädigen. Den Lack beschädigen! Und das bei einer Putzfrau, die drei Mal die Woche kommt!«
Katie dachte insgeheim, dass dies eigentlich kein Grund zur Beschwerde war, wenn man bedachte, wie oft Ross es nicht schaffte, wie versprochen den Haushalt zu erledigen. Immerhin hatte Greg die komplette Überholung der Küche bezahlt. Doch Katie lächelte trotzdem.
Jo bückte sich, um das Huhn in den Ofen zu schieben. Als sie sich wieder aufrichtete, schaute sie Katie mit ernster Miene an.
»Hör mal. Da wir gerade unter uns sind, wollte ich dich fragen, wie es zwischen dir und Ross läuft? Ich hatte das Gefühl, dass die Stimmung bei unserer Ankunft ein wenig angespannt war.« Jo warf Katie einen besorgten Blick zu und versuchte, aus ihrer zurückhaltenden Miene etwas herauszulesen. »Das Problem ist nicht nur die Zitrone, oder?«
»Ja. Und nein.« Katie rang mit sich. »Die Sache mit der Zitrone ist einfach nur … typisch.«
»Komm schon, sag’s mir. Ich bin doch nicht blind! Ich sehe doch, dass irgendetwas zwischen euch nicht stimmt!«
Katie blickte in Jos aufrichtig besorgte Miene und verspürte plötzlich das überwältigende Bedürfnis, sich all die Schuld, den Kummer und die Verbitterung von der Seele zu reden, die sich über Wochen hinweg bei ihr angestaut hatten. Katies Mutter hatte es noch nie besonders gemocht, wenn man ihr das Herz ausschüttete. Katie konnte sie aber ohnehin nicht anrufen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Was aber nicht der Fall war. Außerdem würde sie die Probleme sozusagen amtlich machen, wenn sie jemandem davon erzählen würde.
»Du musst nicht perfekt sein«, fügte Jo noch hinzu. »Keiner von uns ist perfekt.«
Jos Tonfall beruhigte sie ein wenig, und sie merkte, wie sich in ihrem Inneren etwas löste.
»Nein«, gab sie schließlich zu. »Es läuft gerade nicht so gut. Wir streiten uns nicht wirklich, und wir würden es auch nie vor den Kindern tun, aber …«
So kam es, dass Katie ihr eine abgespeckte, verkürzte Version dessen erzählte, wie sehr sie Ross’ märtyrerhafte, unmännliche Abhängigkeit in den Wahnsinn trieb. Sie wollte eigentlich gar nicht erzählen, dass sie sogar zu einem Paartherapeuten gingen, aber irgendwie war es ihr dann doch herausgerutscht. Als Katie es aussprach, hatte sie das Gefühl, eine unglaubliche Last würde ihr von den Schultern genommen. Gleichzeitig wurde sie von einem neuerlichen Anflug von Trauer übermannt.
»… Und ich bin gemein
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