Tanz mit mir - Roman
wahr?«
»Allerdings«, stöhnte Katie. Der Arbeitsaufwand für das Städtebauförderungsprojekt mit seinen vielen neuen Geschäften und Wohnungsbauprojekten war gewaltig, und wenn sie hervorragende Leistungen zeigte, würde sie garantiert am Ende des Jahres befördert werden. Wenn sie bis dahin überlebte. Katie schaute sich verzweifelt in der unordentlichen, chaotischen Küche um. Die Wäsche, die sie gestern Abend in die Waschmaschine gesteckt hatte, befand sich immer noch im Trockner. Die Schmutzwäsche, die im Laufe des Tages angefallen war, hätte wahrscheinlich immer noch in einem Haufen vor der Waschmaschine gelegen, wenn Katie sie nicht in der Gemüseschublade versteckt hätte. »In dieser Woche ist die Zeit wirklich wie im Fluge vergangen. Ich habe mir ernsthaft Gedanken über Hannahs Geburtstag gemacht, aber bei der Arbeit darf ich keine persönlichen Telefongespräche führen, und dann …«
Ihre Stimme zitterte vor schierer Erschöpfung.
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, kam Jo aus der gegenüberliegenden Küchenecke zu ihr herüber und nahm sie tröstend in den Arm. Sie duftete nach Babypuder und Weichspüler, und Katie verspürte den überwältigenden Wunsch, an Jos Schulter in Tränen auszubrechen. Aus Angst traute sie sich nicht, etwas zu sagen.
»Gönn dir mal eine Pause – du hast so viel Stress.« Jo klopfte ihr mitfühlend auf den Rücken. »Ich weiß, wie hart du arbeitest.«
»Das ist aber nicht alles«, murmelte Katie.
Schuld war der Druck, der andauernde Druck, den alle auf sie ausübten; zu Hause, im Büro, die Anwälte, die Bauunternehmer, Ross …
Doch Jo redete einfach über ihren Kopf hinweg, als hätte sie ganz vergessen, dass sie selbst bis vor einiger Zeit ganz selbstverständlich zwölf Stunden am Tag gearbeitet hatte.
»Im Ernst, Katie: Du musst Prioritäten setzen. Ihr beide, du und Ross, ihr müsst das klären. Vergiss die Arbeit – du kannst immer irgendwo einen Job bekommen.«
Wenn ich aber nicht arbeiten gehe, werden wir kein Zuhause mehr haben, in dem wir leben können, dachte Katie verstört. Wenn ich nicht arbeiten gehe, werden die Kinder nie wieder das Innere eines Indoor-Spielplatzes sehen, geschweige denn ihre Geburtstagspartys dort feiern können. Wenn ich nicht arbeiten gehe und es Ross überlassen muss, uns zu ernähren, bedeutet das definitiv das Ende unserer Ehe. Ich kann mich ja nicht einmal darauf verlassen, dass er die Zeitungen zum Altpapier bringt!
Die Verantwortung lastete so schwer auf ihrer Brust, dass sie einen Augenblick lang das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Wie könnte Jo sie auch verstehen? Sie hatte unbegrenzte Kreditkarten, einen Ehemann, der ihr ein Haus gebaut und zwei Autos in die Auffahrt gestellt hatte, sowie eine Mutter, die jederzeit im Notfall Babysitten konnte.
»Hmmm?«, fragte Jo und trat einen Schritt zurück, um ihr Gesicht zu mustern. »Sag mir Bescheid, wenn ihr ein wenig Zeit für euch braucht. Ich kann die Kinder gerne ein paar Tage lang nehmen – das würde mir wirklich nichts ausmachen!«
Katie wusste, dass es ihr nichts ausmachen würde und dass sich Hannah bestimmt darüber freuen würde, mehr Zeit in Mollys rosafarbenem Spielzimmer zu verbringen.
»Es wird schon wieder«, antwortete Katie und erinnerte sich mit Grauen an ihre eigene Mutter, die sich sämtlicher Klischees bedient hatte, wenn sie ihren Kummer nicht hatte zugeben wollen. Katie wusste, dass sie sich genauso verhielt: Je gestresster und verzweifelter sie wurde, desto mehr fühlte sie sich verpflichtet, das Gegenteil vorzutäuschen. Der einzige Unterschied zu ihrer eigenen Mutter bestand darin, dass sie sich über ihr Verhalten im Klaren war und sie Hannah niemals beibringen würde, wie man Mummy einen Gin Tonic mixt.
Das Huhn schmeckte sehr viel besser als sonst, und Katie hatte den begründeten Verdacht, dass es wohl daran lag, dass Jo das Huhn gewürzt hatte. Im Gegensatz zu ihr kannte sich Jo einfach damit aus. Andererseits hatte sie aber auch genügend Zeit, die Kochrezepte im hinteren Teil der Zeitschriften zu studieren – die Seiten, auf denen stand, wie man ein Fertiggericht würzen musste, damit es wie ein Essen im Restaurant schmeckte. Irgendwie hatte sie es sogar geschafft, dass das Huhn auf dem Servierteller appetitlicher aussah als sonst.
Es könnte aber auch am Kerzenlicht liegen. Katie starrte auf den Esstisch, der für gewöhnlich eher als Zeitungsablage diente denn als Zentrum von geistreicher Konversation beim
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