Tanz mit mir - Roman
du!
»Hannah«, warnte sie daher und beugte sich vor, um ihr das Schaf aus dem Mund zu nehmen. Hannah drehte sich weg, lief zu Ross hinüber und lehnte sich an sein Knie. Automatisch legte Ross den Arm um sie und nahm sie in Schutz.
Hannah und Daddy gegen Mummy, dachte Katie und spürte, wie ihr dies einen Stich versetzte.
»Na ja …«, begann Ross und wurde sichtbar schwach.
Katie entging nicht, dass auch Jo dahinschmolz, und ärgerte sich. Sie würde also wieder einmal allein als die Böse dastehen.
Erfreulicherweise blieb Greg völlig unbeeindruckt.
»Komm schon, Hannah«, sagte er entschlossen. »Morgen früh bist du ganz müde und schlecht gelaunt, wenn du jetzt nicht ins Bett gehst. Molly ist ein liebes Mädchen und schläft schon längst.«
»Ganz genau. Um diese Uhrzeit dürfen nur noch Erwachsene auf den Beinen sein«, erklärte Katie und erhob sich. »Molly und Rowan schlafen schon, nicht wahr? Und Jack?«
»Die sind ja auch Babys!«, erwiderte Hannah und schmiegte sich noch enger an ihren Vater. »Ich bin schon ein großes Mädchen!«
»Aber sogar große Mädchen müssen irgendwann ins Bett gehen«, beharrte Katie und breitete die Arme aus. »Komm schon, ich trage dich nach oben. Sag allen Gute Nacht.«
Die Reaktion folgte auf dem Fuß.
»Daddy!«, brüllte Hannah und brach in ein herzerweichendes Schluchzen aus. »Daddy!«
»Daddy bringt dich nach oben«, erklärte Ross, nahm sie auf den Arm und stand vom Tisch auf.
»Hör auf zu weinen, Hannah«, sagte Katie so locker wie möglich. »Du stellst dich ganz schön an!«
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Greg heimlich einen Blick auf die Uhr warf.
»Oje«, rief Jo, was noch schlimmer war.
5
Oh, Lauren …!« Bridget schlug überwältigt die Hand vor den Mund, als Lauren hinter dem Vorhang der Umkleidekabine hervortrat. Wie von Zauberhand schien sich ihr schlaksiger Körper durch eine luftige Wolke perlenbesetzten Tülls in den einer Puppe verwandelt zu haben. Ihre langen, blassen Arme wirkten mit einem Mal elegant, und die Zartheit ihrer Schultern wurde durch das steife, trägerlose Mieder betont. Sogar Laurens gewohnte Körperhaltung hatte sich verändert, da das Korsett ihre verlegene, krumme Haltung korrigierte und sie die gurrende Verkäuferin nun wie ein Model überragte.
Bridget schnürte es fast die Kehle zu, als sie von ihren Gefühlen überwältigt wurde. Ihr kleines Mädchen, ihr winziges, unerwartetes Baby stand nun dort wie sie selbst an ihrem Hochzeitstag, nur wesentlich größer, schöner und souveräner. Sie sah so perfekt und samtig aus wie eine der weißen Rosen in ihrem Garten, die gerade im Begriff war, sich zu öffnen.
Ich bin die Mutter der Braut, dachte Bridget und spürte, wie ihr diese plötzliche Erkenntnis einen Stich versetzte. Einen Moment lang hatte sie das Bild ihrer eigenen Mutter vor Augen, das in ihrem Fotoalbum klebte. Neben ihr saß Franks Mutter, May, mit eng aneinandergepressten Knien, die Handtasche auf dem Schoß. Wie zwei Eulen starrten die beiden mit ihren C&A-Kostümen und den dicken Brillengläsern
argwöhnisch in die Kamera. Das bin ich jetzt, dachte Bridget. Ich bin eine Generation aufgerückt.
Du meine Güte, dachte sie und blinzelte, wie schnell war bloß die Zeit vergangen?
Bridget war fast sechzig Jahre alt, doch was ihr gefühltes Alter betraf, war sie von dieser Zahl noch meilenweit entfernt. Im Laufe der Jahre war der Zeitrahmen ihres Lebens ein wenig durcheinandergeraten. Sie war eine junge Mutter gewesen und hatte sowohl Billy als auch David vor ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr zur Welt gebracht. Frank und sie hatten das späte Zubettgehen und das frühe Aufstehen locker weggesteckt, da sie beide nur wenig Schlaf brauchten. Im alltäglichen Leben hatte sich eine Routine eingestellt, in die ihr Beruf als Lehrerin wunderbar hineingepasst hatte. Völlig unerwartet, nach Davids erstem Tag in der weiterführenden Schule, hatte sie festgestellt, dass ihr komisches Bauchgefühl nichts mit dem Knoblauchbaguette zu tun hatte, das sie zuvor gegessen hatte. Es war Lauren. Sie hatte dann eine völlig neue Generation von Müttern kennengelernt, die zumeist, wie sie selbst mittlerweile auch, etwa Mitte dreißig waren. Und obwohl sie es keiner Menschenseele verraten hätte – am allerwenigsten Frank -, kam es ihr vor, als hätte sie mit dem winzigen blonden Engel nach den zwei Burschen mit den stets aufgeschürften Knien eine völlig neue Art der Mutterschaft erlebt. Und das zu einer Zeit,
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