Tanz mit mir - Roman
allmorgendliches Mantra -, doch sie konnte nicht umhin zu registrieren, dass Mr. Wrightson schon zum dritten Mal innerhalb von vierzehn Tagen einen Termin bei Dr. Bashir hatte.
Du liebe Güte, dachte sie und verzog das Gesicht bei dem Gedanken an Dr. Bashirs Unvermögen, einem Patienten schlechte Nachrichten behutsam beizubringen. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes. Armer Mr. Wrightson.
Sie überflog die ausgedruckte Liste und verglich sie mit den Akten, die sie in den Korb gelegt hatte, bis ihr Blick an einem bekannten Namen hängen blieb.
Angelica Andrews.
Angelica – vom Tanzkurs! Ihre Akte war die dritte von oben, und sie hatte um zehn Uhr einen Termin bei Dr. Carthy.
Lauren juckte es in den Fingern, die Akte aufzuschlagen, doch in ihrem Kopf ertönte eine strenge Stimme – die verdächtig nach der Stimme ihrer Mutter klang -, die sie an die »vertraulichen Patienteninformationen« erinnerte. Außerdem konnte es auch unschön sein, wenn man zu viel wusste. Dieses Problem hatte sie am eigenen Leib erfahren, als sie entdeckte, dass ihr alter Fahrlehrer unter einem Reizdarm litt.
Ich werde es schon niemandem erzählen, versprach sie sich selbst. Sie ist eine neue Patientin. Ich sehe nur kurz nach, ob wir alle Daten von ihr haben.
Zwar stand außen auf der Akte der Name Angelica Andrews, doch als Lauren sie öffnete, gehörte die Akte offiziell einer Miss Angela Marie Andrews.
Also doch nicht Angelica? Laura war ein wenig enttäuscht.
Adresse: 34 Sydney Street, Longhampton.
Ooh, das ist unten am Fluss. Dort stehen zwar nicht gerade große Häuser, doch sie besitzen alle schöne Gärten, und die Preise für diese Häuser sind in den letzten Jahren ziemlich in die Höhe geschossen …
Geburtsdatum: 31. Mai 1950.
»Wow!«, entfuhr es Lauren, woraufhin Sue irritiert dabei innehielt, die neueste Ladung gebrauchter Krimis auf dem Büchertisch auszulegen.
»Alles in Ordnung, Lauren?«, fragte sie, einen John Grisham in der Hand.
»Oh, ähm, ja.«
Angelica war siebenundfünfzig Jahre alt! Lauren fand nicht, dass Angelica auch nur annähernd so alt aussah. Sie
war damit nur drei Jahre jünger als ihre eigene Mutter, und ganz gleich, wie sehr Lauren ihre Mutter liebte, so sah sie bei Weitem nicht so schick und jugendlich aus wie Angelica.
Angela.
Nein, Angelica, beschloss Lauren. Sie sah nicht aus wie eine Angela.
Eigentlich wollte sie gar nicht ihre Nase in fremde Angelegenheiten stecken, doch etwas an Angelicas dramatischem Auftreten im Tanzkurs weckte ihre Neugier. Hatte nicht ihre Mutter erwähnt, Angelica sei berühmt gewesen? Laurens Blick wanderte über die Anzahl der Kontrolluntersuchungen und die Antibiotika. Sie hatte dabei genügend Übung, um das Gekrakel des Arztes zu entziffern auf der Suche nach … na ja, sie war sich gar nicht sicher, was sie eigentlich genau suchte.
»Oje«, seufzte Lauren laut, als sie die wiederholte Verschreibung eines sehr starken Schmerzmittels sowie eine Notiz über Probleme mit der Knorpelschicht des Knies bemerkte.
Wie es schien, war Angelica vor ein paar Monaten in die Sydney Street gezogen, und ihre Patientenakte war von einer noblen Privatklinik in Islington übersandt worden. Das passte zu ihr, dachte Lauren und stellte sich vor, wie Angelica eine schmucke Straße in London entlangeilte – mit gro ßer Sonnenbrille auf der Nase und einem coffee to go in der Hand.
Davor jedoch waren ein paar Adressen in Longhampton eingetragen, und als Geburtsort war das örtliche Krankenhaus angegeben, das damals noch St. Mary geheißen hatte!
Na gut, dachte Lauren und ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Mum hat recht gehabt! Sie stammt von hier. Ich frage mich, warum sie wohl zurückgekehrt ist?
Laurens eigene Version der Angelica-Andrews-Story entfaltete sich vor ihrem inneren Auge, während sie aus dem Fenster starrte und dabei zusah, wie gegenüber vor der Bücherei
mit dem Flachdach eine Ladung Rentner aus dem Acht-Uhrfünfzig-Bus stieg. Vielleicht einer früheren Liebe wegen? Ein Junge, für den Angelica während der Schulzeit geschwärmt hatte und zu dem der Kontakt abgebrochen war, als die Tanzkarriere sie in die großen Städte gelockt hatte. Lauren beschloss, dass sie wahrscheinlich eine Entscheidung hatte fällen müssen: für die Karriere oder für die Liebe ihres Lebens. Und nun war sie zurückgekehrt, älter und weiser, und war nicht mehr Angie, sondern Angelica, die Tanzkurse gab in der Hoffnung, dass er eines Tages hereinkommen und ihre Liebe von
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