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Tanz mit mir - Roman

Tanz mit mir - Roman

Titel: Tanz mit mir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon Sina Hoffmann
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Informationen über den Grund des Termins zu finden.
    Lauren, ermahnte sie sich mit der strengen Stimme ihrer Mutter, sei nicht so neugierig!
    Sie setzte die freundliche, jedoch professionelle Miene auf, mit der sie allen Patienten begegnen sollten, und deutete auf
die Stühle. »Möchten Sie Platz nehmen? Dr. Carthy ist mit seinem Terminplan ein wenig in Verzug.«
    »Vielen Dank«, antwortete Angelica.
    Es war ein sehr hektischer Morgen, an dem zwei Patienten ihre Termine mit der Bemerkung »Oh, wo ich nun schon einmal hier bin …« und einigen Fragen überzogen hatten. Dies hatte zur Folge, dass sich alle Termine nach hinten verschoben. Lauren hatte alle Hände voll zu tun, eine Meuterei im Wartezimmer zu verhindern. Später half sie gerade einer liebenswerten, älteren Stammpatientin dabei, einen neuen Thriller vom Büchertisch auszusuchen, als Angelica, eingehüllt in eine Wolke aus Parfum, aus dem Behandlungszimmer trat. Den Rest des Tages hatte Lauren so viel zu tun, dass sie gar keine Zeit mehr hatte, sich über den Grund von Angelicas Termin Gedanken zu machen.

9

    Angelicas marienkäferroter Mantel bildete einen leuchtenden Farbtupfer vor dem tristen, öden Grau der Fußgängerzone, als sie durch die Stadtmitte schlenderte. Sie schlug den Kragen hoch, um sich vor dem eisigen Wind zu schützen, der zwischen den hohen Häuserwänden durch die Straßen fegte und direkt aus dem frostigen Norden zu kommen schien. Ein paar ältere Damen, die Einkaufstrolleys mit Schottenmuster hinter sich herzogen, beäugten sie skeptisch, als Angelica sie überholte – was ihren Eindruck bestätigte, dass farbenfrohe Kleidung in Longhampton immer noch Argwohn erregte.
    Angelica stellte zufrieden fest, dass sie sich immer noch nicht um die Meinung anderer scherte.
    Schon als Kind hatte sie sich immer gern in leuchtendes Rot gekleidet. Als sie letzte Nacht das erste Fotoalbum durchstöbert hatte, war die Erinnerung an ihre feuerroten Clarks-Sandalen wieder wach geworden – im endlosen Grau der Sechzigerjahre in Longhampton hatte man einen hellen, fröhlichen Farbtupfer dringend gebraucht. Angelica hatte sich schon immer ein wenig farbiger gekleidet. Ein wenig anders eben.
    Was sie jedoch nicht unbedingt beliebter gemacht hatte bei ihren Klassenkameraden. Wegen ihrer schwarzen Zöpfe, die mit roten Schleifen zusammengebunden waren, hatten sie sie »Olive Oyl« genannt, nach der Figur aus »Popeye«. Wahrscheinlich aber auch wegen ihrer langen Beine und der bleichen Gesichtsfarbe. Angelica kümmerte das damals schon
recht wenig. Ihr war von klein auf klar gewesen, dass sie nicht zu Longhampton passte, und hatte keine Lust auf das langweilige Leben, das die Mädchen ihres Alters in dieser Stadt erwartete: Babys, ein Job als Kassiererin, noch mehr Babys und dann Enkelkinder.
    Sie bog um die Ecke und stand plötzlich vor einem großen Tesco-Metro-Supermarkt, wo sich früher Dixon’s Juwelierladen befunden hatte. Als sie an ihrer ehemaligen Schule vorbeikam, wurden ihre Schritte langsamer. Der Eingang war zugemauert, und ein neues Plastikschild verkündete, dass dies mittlerweile nicht mehr die »All Saints’ Grammar School« war, wie noch 1961, sondern die »Longhampton Community School«: ein gewaltiger Klotz von einer Schule, mit hohen, spitz zulaufenden Fenstern, separaten Eingängen für Jungen und Mädchen und, wie es schien, einem dominierenden Bedürfnis, alle Schüler in Reih und Glied zu bringen, bis sie alle gleichförmig waren und als gelehrte Soldaten wieder herausmarschierten.
    Oder als Tiller-Girls, dachte sie und musste beim Gedanken an einige ihrer Klassenkameradinnen schmunzeln. Sie dachten, sie seien hart im Nehmen, diese Evelyns und Pennys, doch sie hätten nicht einmal zehn Minuten einer knochenharten Revue durchgestanden, die drei Mal am Abend vorgeführt wurde.
    Zu ihrer großen Überraschung stellte Angelica fest, dass sie trotz der Erinnerungen, die nach und nach wiederkamen, tatsächlich Freude darüber empfand, dass die Schule noch nicht abgerissen worden war. Das Gebäude war der Beweis, dass sie einmal hier gelebt hatte, fortgegangen war und schließlich als selbstständiges Individuum zurückgekehrt war.
    Sie schaute zu den Fenstern hoch und suchte das Klassenzimmer ihrer Abschlussklasse. Damals hatte sie von ihrem Pult am Fenster aus über die terrassenförmigen Dächer der Stadt geblickt und sich den Tag herbeigewünscht, an dem sie
endlich alles hinter sich lassen und die Welt hinter den Dächern

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