Tanz, Pueppchen, Tanz
Bett und macht einen Knicks, den der Junge mit einer langsamen Verbeugung erwidert. Kurz darauf dreht sie sich sicher in seinen hölzernen Armen auf einer hohen Bühne.
Ich mag deinen Pullover, erklärt er ihr, als eine kalte Böe ihr Gesicht streift und ihr Lächeln wie gefroren erstarren lässt. Ihre Arme wirbeln ausgelassen, gedankenlos und ohne jede Anmut durch die Luft. Erst hebt sich ihr rechtes Knie, dann ihre linke Hand, dann beide Beine gleichzeitig. Ihr rechter Arm schlägt zur Seite aus, ihr Mund klappt auf und zu, aber die Stimme, die ertönt, ist nicht mehr ihre eigene.
Püppchen, Püppchen, singt die unbekannte Stimme, und die Muskeln in ihrem Hinterkopf beginnen zu zucken, als hätte sich ein Angelhaken zwischen ihren Schulterblättern verfangen. Wer ist mein kleines Püppchen?
»Scheiße«, sagt Amanda, richtet sich ruckartig auf, tastet nach der Nachttischlampe und sieht zu, wie die letzten Fetzen ihres Traums sich in dem unvermittelt grellen Licht verflüchtigen. Sie wedelt mit der Hand in der Luft und versucht, ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Jeder Muskel ihres Körpers schmerzt. »Ich hätte diesen verdammten Schnee nicht schippen sollen.« Obwohl sie jetzt hellwach ist, hallt die fremde Stimme in den Nischen ihres Bewusstseins wider. Wessen Stimme, fragt sie sich, steigt aus dem Bett, geht in den Flur und reckt die Schultern, um das unbehagliche Gefühl abzuschütteln, dass immer noch jemand die Fäden zieht.
23
Amanda schlendert ins Bad, wo sie den Hahn aufdreht und sich mit der Hand kaltes Wasser ins Gesicht spritzt, das, wie sie überrascht feststellt, tränenüberströmt ist. »Weswegen weine ich, verdammt noch mal?«, fragt sie ungeduldig ihr Spiegelbild und betrachtet sein vertrautes Kopfschütteln. Ihr Kopf schnellt weiter fieberhaft hin und her, bis sich Strähnen ihrer Haare von hinten vor ihre Augen legen wie ein Paar unvermutete Hände zu einem »Rate, wer ich bin«, und das verletzende Bild verschwindet. So steht sie, den Kopf gesenkt mit Strähnen auf den feuchten Wangen, den Atem zerrissen von einer rhythmischen Folge stumm geborener Schreie, die aus ihrem Körper zu brechen drohen wie das letzte Ticken einer an ihre Brust gefesselten Bombe vor der Explosion. Mit der linken Hand greift sie blind nach dem Handtuchhalter, wobei ihr Blick aus verschleierten Augen auf ihre Armbanduhr fällt, die abzulegen sie vor dem Schlafengehen vergessen hat. Überrascht stellt sie fest, dass es erst kurz nach elf ist. »Noch nicht mal Mitternacht«, quengelt sie, während sie sich das Gesicht mit einem kratzigen weißen Handtuch abtrocknet. Sie füllt den pinkfarbenen Plastikbecher auf dem Waschbecken mit Wasser und trinkt ihn in einem langen Schluck leer. »Was soll ich denn bis morgen früh machen?«
Sie überlegt, nach unten zu gehen und sich etwas zu essen zu machen, aber dann fällt ihr das Innenleben des Kühlschranks ihrer Mutter wieder ein, und sie beschließt, dass Granny-Smith-Äpfel nicht direkt als eine Frostmahlzeit durchgehen. Sie sind einfach zu gesund, um in Zeiten echter Krisen zu helfen, in denen man sich nach etwas Sahnigem und Klebrigem mit einer Unzahl von Kalorien verzehrt, so etwas wie die Maccaroni mit Käse, die sie schon verputzt hat. Sie könnte sich natürlich anziehen und einen Rund-um-die-Uhr-Supermarkt suchen, obwohl sie sich nicht sicher ist, ob es das in Toronto gibt. Oder sie könnte sich einfach eine Pizza bestellten. Es musste Restaurants geben, die um diese Zeit noch geöffnet und bereit waren, nach Hause zu liefern. Es war ja noch längst nicht mitten in der Nacht. Oder sie könnte bei Swiss Chalet anrufen. Wie lange ist es her, seit sie zum letzten Mal eins von deren halben Hähnchen mit Pommes frites und würziger Barbecue-Sauce gegessen hat? Viel zu lange, entscheidet sie, geht in ihr Zimmer zurück und greift nach dem Handy in ihrer Handtasche, während ihr beim Gedanken an das Hähnchen schon das Wasser im Mund zusammenläuft. Sie klappt ihr Handy auf und will gerade die Auskunft anrufen, um die Nummer der Restaurantkette zu erfragen, als sie sieht, dass sie eine Nachricht hat.
»Hi, ich bin’s, Ben«, meldet er sich auf der Aufzeichnung ohne hörbare Regung, obwohl die Tatsache, dass er es für nötig erachtet, seinen Namen hinzuzufügen, etwas von einer unausgesprochenen Gegenbeschuldigung hat. »Ich habe mich bloß gefragt, wie es dir geht, aber da du offenbar munter auf Achse bist, scheint es dir ja ganz gut zu gehen.«
Eine kurze
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