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Tanz, Pueppchen, Tanz

Tanz, Pueppchen, Tanz

Titel: Tanz, Pueppchen, Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
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derart Offensichtliches übersehen?
    Außer:
    Welchen Unterschied machte es, ob ihre Mutter möglicherweise verschreibungspflichtige Medikamente falsch angewandt hatte, wenn sie darauf bestand, dass sie wusste, was sie getan hat und dass es falsch war? Welchen Unterschied machte es, wenn sie unter den Folgen eines Medikamentenentzugs gelitten oder Medikamente eingenommen hatte, deren Verfallsdatum lange überschritten war, wenn sie sich weigerte, auf verminderte Zurechnungsfähigkeit zu plädieren, was sie garantiert tun würde?
    Trotzdem …
    Amanda gibt Bens Telefonnummer ein, lauscht dem wiederholten Klingeln und legt auf, bevor sich die Mailbox einschaltet. Es hatte keinen Sinn, eine Nachricht zu hinterlassen. Wahrscheinlich schläft sie längst, wenn er nach Hause kommt. Und garantiert wird Jennifer nicht von seiner Seite weichen. Und warum auch? Warum sollten sie nicht zusammen sein? Jennifer ist attraktiv und intelligent, und es ist unwahrscheinlich, dass ihre Mutter in Hotelhallen Leute erschießt. Sie ist offensichtlich eine ungleich vernünftigere Wahl, eine sehr viel sicherere Wette. Bens Mutter wäre zweifelsohne einverstanden gewesen. Genau wie sein Vater, denkt sie und stellt sich den attraktiven Mr. Myers senior vor, der mit ihrer früheren Geschichtslehrerin in Flitterwochen war.
    Wirklich komisch, wie die Dinge sich manchmal entwickeln.
    Bens Vater ist etwa genauso alt wie ihr Ex-Mann Sean, wird ihr klar, ein beunruhigender Gedanke, der sie das Gesicht verziehen und ins Schlafzimmer ihrer Mutter fliehen lässt, wo sie das Licht einschaltet. Was hatte sie überhaupt geritten, Sean zu heiraten? Und noch entscheidender, was hatte Sean geritten, sie zu heiraten? Ja, sie war jung und hübsch, aber in Florida wimmelte es von jungen hübschen Frauen, und kluge und kultivierte Männer wie Sean ließen sich nicht leicht beeindrucken. Was also hatte er in ihr gesehen? Und wie konnte er sie lieben – wie konnte irgendein Mann sie lieben –, wenn ihr eigener Vater ihr gegenüber so gleichgültig gewesen war? Wenn ihre eigene Mutter sie angesehen, auf der Stelle durchschaut und der Liebe für unwürdig erklärt hatte?
    Amanda geht zu der Nische neben dem Bett ihrer Mutter und lässt den Blick über die Kristallfiguren schweifen, die auf einem Regal stehen. Sie streicht mit dem Finger über einen kleinen Glaspudel mit schwarzen Perlen als Augen und Nase. »Okay, das reicht. Das bringt uns nicht weiter.« Sie geht zur Kommode und fängt an, die Schubladen ungeduldig zu durchwühlen. »Derselbe Kram wie beim letzten Mal, als ich geguckt habe«, murmelt sie, schiebt die letzte Schublade zu und blickt aus dem Fenster zu dem Haus von Mrs. MacGiver gegenüber.
    Hinter dem Fenster im ersten Stock steht eine Gestalt, die in diesem Moment einen Schritt zurückweicht und sich gleichzeitig vorbeugt, um besser sehen zu können. »Sind Sie das, Mrs. MacGiver?«, flüstert Amanda, tastet sich zum Fenster vor und lehnt die Stirn an die kalte Scheibe. Die Gestalt im Fenster gegenüber zieht sich zurück und verschwindet hinter Vorhängen. Kurz darauf wird das Licht in dem Zimmer gelöscht.
    Amanda starrt minutenlang in die Dunkelheit und fragt sich, wie viele von den alten Nachbarn noch hier wohnen und ob einer von ihnen sie in diesem Moment beobachtet. Vielleicht sollte sie morgen die Straße abklappern und mit Leuten reden, die ihre Mutter kannten. Möglicherweise kann einer von ihnen ein wenig Licht in die Sache bringen. Die Leute wissen manchmal mehr, als sie denken, obwohl die Erfahrung Amanda gelehrt hat, dass sie in der Regel weniger wissen.
    »Okay, das reicht«, erklärt sie allen, die vielleicht zusehen. »Wen es interessiert, ich gehe jetzt ins Bett. Wie gefällt euch übrigens mein neuer Pullover? Mögt ihr die Farbe? Ihr findet das Lila nicht übertrieben? Gut. Okay. Nun denn, schlaft schön und träumt süß.« Sie macht das Licht aus, kehrt in ihr altes Zimmer zurück und kriecht ins Bett.
    »Wem will ich hier eigentlich was vormachen? Ich schlafe sowieso nie ein«, sagt sie, aber die Worte sind kaum über ihre Lippen, als sie auch schon in Bewusstlosigkeit sinkt.
     
    Amanda?
    Amanda schlägt die Augen auf und sieht einen schlanken Jungen mit einem Holzkopf und einer hohen Tolle aufgemalten schwarzen Haars auf sich zu kommen. Er trägt ein frisches weißes Hemd und eine steife Jeans und hat grüne Augen und ein breites Lächeln.
    Tanz mit mir, sagt er und streckt ruckartig die Hand aus.
    Amanda steigt aus dem

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