Tanz, Pueppchen, Tanz
einmal«, fügt sie in der Hoffnung auf ein winziges Zeichen des Wiedererkennens hinzu.
»Wir können die Zeitungen nur für jeweils zwei Wochen ausgeben«, sagt die Frau genau wie beim letzten Mal.
»Natürlich. Tut mir Leid. Das hatte ich vergessen.«
Die Frau, laut dem Namensschild auf ihrem Tresen Wendy Kearns, lächelt ausdruckslos, verlässt ihren Schreibtisch, um die verlangten Zeitungen aus dem Magazin zu holen, und kommt wenig später mit einem Stapel von ordentlich in einem provisorischen Plastikordner gebündelten Zeitungen zurück, den sie Amanda über den Tresen anreicht. »Viel Spaß.«
»Danke.« Amanda trägt den Zeitungsstapel unter dem Kinn balancierend zum nächsten freien Platz und setzt ihn so sanft wie möglich auf der schweren Glasplatte ab, was immer noch nicht ganz so leise ist, wie es der Mann neben ihr gerne hätte. »Verzeihung«, flüstert sie, doch er steckt die Nase schon wieder in seine Zeitung. Buchstäblich. Offenbar extrem kurzsichtig, denkt Amanda, hängt ihren Mantel über die Lehne ihres Stuhls und setzt sich. Sie atmet ein paar Mal tief durch, bevor sie die oberste Zeitung auf dem Stapel aufschlägt. »Okay, auf geht’s«, muntert sie sich auf. Der Mann neben ihr räuspert sich demonstrativ. »Tut mir Leid«, entschuldigt Amanda sich eilig noch einmal. »Ich versuche, leise zu sein.«
Sie blättert zu den Geburts- und Todesanzeigen, die direkt hinter dem Sportteil des Globe kommen, und denkt, dass irgendwer einen schrägen Humor haben muss, während sie Namen überfliegt. Avison, Laura; Danylkiw, Dimitri; Parnass, Sylvia; Ramone, Ricardo; Torrey, Catherine; Tyrell, Stanley. Kein Turlington, kein Turgov, Turek oder Turofsky. »Natürlich nicht«, brummt sie. »Hab ich ernsthaft geglaubt, es würde so einfach gehen?« Sie sieht im Star nach, findet dieselben Namen und weitere, womit sich der Star als die bevorzugte Tageszeitung der lieben Verschiedenen erweist. Amanda geht nacheinander sämtliche Ausgaben beider Zeitungen durch, ohne etwas zu finden, gibt sie zurück, lässt sich weitere zwei Wochen geben, und so weiter, vor und zurück, hoch und runter, bis sie schließlich entscheidet, dass sie jetzt auch verdammt noch mal alles ausreizen und den gesamten aktuellen Bestand der Bibliothek durchsehen kann. Die Toten dreier Monate ziehen vor ihren müden Augen vorüber. Taggart, Timmons, Toolsie, Trent, Vintner, Young. Am dichtesten liegt sie noch mit Margaret Tulle, die am 2. Dezember nach einem mutigen Kampf gegen den Krebs im Alter von 51 Jahren verstorben ist.
Nicht die Frau, nach der sie sucht.
»Und, erfolgreich gewesen?«, fragt Wendy Kearns Amanda, als sie den letzten Stapel Zeitungen auf ihrem Tisch ablegt.
»War eh nur eine vage Hoffnung.« Amanda zuckt die Achseln. »Haben Sie hier auch die Gelben Seiten?«
Wendy Kearns greift nach dem Telefonbuch auf einem niedrigen Regal neben ihrem Schreibtisch.
»Kann ich das nach da drüben mitnehmen?«, fragt Amanda und weist auf den Raum mit den goldenen und violetten Stühlen.
Die Frau drückt ihr nickend den schweren Band in die Hand, Amanda trägt ihn in den Nebenraum und setzt sich zwischen zwei gerahmten Zeitungsartikeln auf einen Stuhl an der Rückwand. Sie schlägt das Telefonbuch auf und muss lachen, als sie zufällig in der Rubrik Rechtsanwälte landet.
»Diese garstigen Menschen wollen wir nicht«, flüstert sie mit einem Blick auf die vier anderen Leute in dem Raum. Aber die sind entweder in ihre Zeitung vertieft oder halten ein Nickerchen. Keine schlechte Idee denkt sie, als sie spürt, wie die Müdigkeit an ihren Lidern zupft. »Später«, reißt sie sich zusammen und blättert von Maler und Lackierer über Miederwaren bis zu Orthopädietechnik und Porzellanverleih. »Ups. Zu weit«, sagt sie, schlägt ein paar Seiten zurück.
»Plastikfolien siehe auch Folien.« Logisch. Physikalische Therapie, Pharmazeutische Erzeugnisse, Pflege- und Betreuungsdienste, siehe auch Altenpflege. Unter letzterem Stichwort finden sich zwei Spalten von Telefonnummern, wie Amanda leicht entmutigt feststellt, als sie ihr Handy aus der Tasche zieht, die erste Nummer eintippt und sich fragt, was sie eigentlich sagen will.
»Seniorenzentrum Bayview«, antwortet eine Frau prompt.
»Verzeihung, aber an wen müsste ich mich wenden, um mich über eine mögliche ehemalige Bewohnerin zu erkundigen?«, tastet sie sich vor.
»Verzeihung. Ich weiß nicht, ob ich verstehe, was Sie wollen«, sagt die Frau nervös und mit schwerem
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