Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz, Pueppchen, Tanz

Tanz, Pueppchen, Tanz

Titel: Tanz, Pueppchen, Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Zahnreihe. »Tee wäre nett.«
    Amanda seufzt erleichtert. »Okay, dann bringe ich Ihnen Tee mit.«
    »Ja, Tee wäre sehr nett, Red Rose, wenn sie den haben.«
    Amanda spürt ihre Zungenspitze, die sie sich gestern Abend an dem Tee verbrannt hat. »Dann Red Rose.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie in der Bibliothek Lebensmittel verkaufen«, staunt Mrs. MacGiver.
    »Sie sollten jetzt wieder ins Haus gehen. Sonst erkälten Sie sich noch.«
    »Ja, es ist kalt«, sagt die alte Frau. »Und vielen Dank, dass du vorbeigekommen bist. Du bist ein gutes Mädchen, Püppchen.«
    Und damit fällt die Tür vor Amandas Nase zu.
     
    Die zentrale Bibliothek ist ein imposantes Gebäude aus Glas und rotem Backstein in der Yonge Street 789. Der Bau wurde in den späten 1970ern von dem preisgekrönten Architekten Raymond Moriyama entworfen und beherbergt mehr als 4,5 Millionen Titel, die mehr als einer Million Besucher jährlich zugänglich sind. Das hat Amanda bereits bei ihrem Besuch vor zwei Tagen gelernt und muss jetzt wieder daran denken, als sie durch die Glastüren die riesige Eingangshalle betritt, die wie ein öffentlicher Platz wirkt. Sie schreitet durch das lichtdurchflutete fünfstöckige Atrium um den großen künstlichen Teich herum, der den Großteil der Bodenfläche einnimmt und, wie sie erfreut feststellt, von echten Palmen gesäumt ist, zu der Treppe ins Untergeschoss. Wasser plätschert beruhigend über Steine und Betonblöcke in den flachen Teich, und aus einer kleinen Caféteria zu ihrer Linken weht Kaffeeduft herüber, obwohl ein Schild vor den Drehkreuzen, durch die man die eigentlichen Bibliotheksräume betritt, darauf aufmerksam macht, dass es untersagt ist, Speisen und Getränke mit hineinzunehmen.
    Amanda läuft direkt auf den Informationsschalter zu, folgt jedoch, da sie den Weg bereits kennt, einem hellbraunen Teppich vorbei an den beiden runden verglasten Fahrstühlen bis zu einer mit violettem Teppich ausgelegten Wendeltreppe. Erstaunt stellt sie fest, dass die mehr als einhundert Computer im Hauptgeschoss der Bibliothek alle besetzt sind und sich bereits eine lange Schlange von Menschen gebildet hat, die auf die kostenlose Nutzung des Internets warten.
    Wie hat sie so lange in dieser Stadt leben können, ohne einen Fuß in dieses prachtvolle Gebäude zu setzen? Und wie ironisch, dass sie in den vergangenen paar Tagen mehr über ihre Geburtsstadt erfahren hat als in den zwanzig Jahren, in denen sie hier zu Hause war. Warum wissen wir Dinge erst zu schätzen, wenn wir sie verloren haben, fragt sie sich, schüttelt das unangenehme Klischee mit einem Schwung ihrer Haare ab und versucht, in den Zügen des jungen Mannes, der ihr auf der Treppe entgegenkommt, nicht Bens Gesicht zu sehen.
    Das Toronto Star Newspaper Centre – Centre mit re – liegt am Fuß der Treppe und ist ein riesiger offener Bereich, der trotz seiner Kellerlage ebenfalls lichtdurchflutet ist. Vor der Glastür ist eine Installation aus Maschendraht aufgebaut, in der Zeitungen von einem imaginären Windstoß in die Luft gewirbelt werden. Amanda tritt ein und wirft einen Blick in einen Raum auf der linken Seite, wo vierzehn goldene und violette Ledersessel vor einer geschwungenen, mit Zeitungen aus aller Welt dekorierten Wand stehen. Der Hauptraum ist mit einem unaufdringlichen gold-violetten Berber ausgelegt, unterbrochen von Glasplatten mit Radierungen historischer Titelseiten, und mit Glaspulten ausgestattet, die vor modernen Holzstühlen wie aufgeschlagene Bücher auf Stahlgestellen liegen. Diese Pulte sind in Sechsergruppen angeordnet, jeweils drei auf einer Seite, und groß genug, um eine aufgeschlagene Zeitung darauf abzulegen. Entlang der Glaswand des Hauptraumes stehen Computer, dahinter befindet sich ein weiterer Raum mit Zeitungen auf Mikrofilm. Von ihrem letzten Besuch weiß Amanda jedoch, dass die Bibliothek die Papierausgaben der lokalen Zeitungen drei Monate lang aufbewahrt. Als sie neulich hier war, hat sie die Todesanzeigen auf eine Verstorbene namens Mallins durchgesehen, diesmal sucht sie Turlingtons, Tureks, Turgovs oder Turofskys. Nur der Name wurde geändert, denkt sie, als sie auf eine pummelige Frau mittleren Alters hinter dem Haupttresen zugeht. Um die Unschuldigen zu schützen oder die Schuldigen?
    »Hi, ich bin’s wieder«, erklärt Amanda der Frau und fragt sich, ob sie sie von ihrem letzten Besuch wiedererkennt.
    »Ich brauche den Globe und den Star, alle Ausgaben der vier Wochen vor der vergangenen. Noch

Weitere Kostenlose Bücher