Tanz, Pueppchen, Tanz
aus Müdigkeit, zum Teil aber auch aus Angst, dass sie, wenn sie Bens umwerfendes Gesicht noch viel länger anschauen muss, ihre vorherigen Bekundungen Lügen strafen, sich über seinen Schreibtisch in seine Arme stürzen und sie beide furchtbar verlegen machen wird. Musste er in einem Nadelstreifenanzug auch genauso verdammt gut aussehen wie in Jeans? »Wie viel berechnest du eigentlich?«
»Was?«
»Dein Stundenhonorar. Wie hoch ist es?«
»Zweihundert Dollar. Warum?«
Sie zuckt mit den Schultern und öffnet die Augen. »Hab ich mich bloß gefragt.« Ich verdiene sogar mehr als er, denkt sie, trinkt einen weiteren Schluck von dem eklig süßen Kaffee und versucht, sich nicht zu schütteln.
»Nun, irgendwas hast du offensichtlich herausgefunden«, ermuntert Ben sie, weiterzureden.
»Aber nicht in den Todesanzeigen.«
»Erzählst du es mir jetzt oder muss ich erst betteln?«
»Ich würde dich liebend gern betteln sehen.«
Er lacht. »Okay, ich flehe dich an.«
Diesmal ist Amandas Lächeln echt. Sie haben es wieder einmal geschafft, das Eis zu brechen und gleichsam trotz ihrer selbst ein lockeres Geplänkel zu beginnen. »Okay, also, nachdem ich mit den Zeitungen kein Glück hatte, habe ich auf eine spontane Eingebung hin beschlossen, es bei den Alten- und Pflegeheimen zu probieren. Hayley Mallins hat gesagt, ihr Mann wäre nach Toronto gekommen, um den Nachlass seiner Mutter zu regeln. Also habe ich mir gedacht, dass seine Mutter ziemlich alt gewesen sein muss und wahrscheinlich alleine gelebt hat, weil niemand sich die Mühe gemacht hat, eine Anzeige in die Zeitung zu setzen. Also hat sie möglicherweise in einem Pflegeheim oder einer Einrichtung für betreutes Wohnen gelebt. Jedenfalls dachte ich mir, es wäre den Versuch wert, ein bisschen herumzutelefonieren. Beginnend mit dem Buchstaben A. Nein, genau genommen habe ich mit dem Seniorenzentrum Bayview angefangen, weil das so eine große Anzeige hatte, aber dann bin ich zurück zu den As und habe mich bis zum K vorgearbeitet. Bis Kensington Gardens, um genau zu sein. Gott sei Dank musste ich nicht noch die ganzen ›Residenzen‹ unter R abklappern. Jedenfalls, rate mal, was? Bei Kensington Gardens hat man mir erzählt, dass in den vergangenen zwei Jahren eine Frau namens Rose Turek dort untergebracht war, die, siehe da, einen in England lebenden Sohn namens Rodney hatte, der im Falle ihres Todes zu benachrichtigen war. Rodney Turek, alias Turk, alias …«
»John Mallins«, sagt Ben mit einem Funkeln in den Augen, das seinen ruhigen Tonfall Lügen straft.
»Sieht jedenfalls ganz so aus.«
Ben steht auf, geht um seinen Schreibtisch, nimmt Amanda den Becher aus der Hand und stellt ihn im Hinausgehen auf dem Schreibtisch seiner Sekretärin ab. »Ich würde vorschlagen, wir unterhalten uns mit deiner Mutter.«
Eine halbe Stunde später fahren sie auf den Parkplatz des Metro West Detention Center. »Vorsicht«, sagt Ben, als Amanda die Wagentür öffnet. Es ist das erste Wort, das sie wechseln, seit sie in sein Auto gestiegen sind und die Sicherheitsgurte angelegt haben. »Es ist glatt«, erinnert er sie, worauf sie mit einem übertriebenen Gähnen antwortet, wie um anzudeuten, dass sie noch nicht wieder ganz wach ist, nachdem sie während der Fahrt vorgeblich ein Nickerchen gehalten hat.
So war es leichter, hatte sie entschieden. Es hat ihnen beiden die Anstrengung des Smalltalks erspart oder schlimmer noch einer Rekapitulation der unglücklichen Ereignisse des vergangenen Abends. Stattdessen hat sie einfach die Augen zugemacht, so getan, als ob sie schlafen würde, sogar einmal ein leises Schnarchen vorgetäuscht und versucht, sich nicht auszumalen, was gestern Abend in Bens Wohnung passiert ist, nachdem sie gegangen war.
Auch den Ellenbogen, den Ben ihr für den Weg über den Parkplatz anbietet, übersieht sie geflissentlich. Sie weisen sich bei dem Wachposten aus, der mit großem Gewese ihre Führerscheine studiert, bevor er sie einen Passierschein ausfüllen lässt. Es folgt die übliche Routine von Metalldetektoren und durchsuchten Handtaschen und Aktenkoffern, bevor sie durch einen langen stickigen Korridor in einen kleinen fensterlosen Raum geführt werden, der Gefangenen und ihren Anwälten für Beratungen zur Verfügung steht.
»Geht es dir gut?«, fragt Ben ein weiteres Mal.
Warum fragt er mich das ständig, denkt Amanda gereizt. Sehe ich aus, als ob es mir nicht gut geht? Erfordert es sein Ego, dass ich in seiner Gegenwart zu einem
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