Tanz, Pueppchen, Tanz
erklären.«
»Was genau hoffst du denn zu erfahren?«
»Zum einen, ob Mr. Walsh eine Tochter hatte.«
»Und zum anderen?«
Amanda klingelt noch einmal. »Wer zum Teufel Lucy ist.«
»Wenn sie überhaupt existiert«, betont Ben. »Die alte Frau war offensichtlich verwirrt.«
»Nicht so verwirrt.«
»Sie hatte einen grünen Morgenmantel und rote Gummistiefel an«, bemerkt er, als ob das alles klären würde.
Amanda klingelt ein fünftes und letztes Mal. »Sieht so aus, als ob niemand zu Hause wäre.« Sie geht durch den schneebedeckten Vorgarten zum Nachbarhaus und will gerade auf die Klingeln drücken, als die Haustür aufgeht.
»Oh«, sagt eine junge Frau, sichtlich überrascht, jemanden davor stehen zu sehen. In einem Arm balanciert sie unbeholfen ein Baby, während zu ihren Füßen ein Kleinkind rastlos hin und her hüpft. Alle drei tragen blaue Schneeanzüge und im Gesicht einen Ausdruck kaum verhohlener Hysterie. »Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Amanda Travis. Ich wohne …«
»Tut mir Leid«, unterbricht die junge Frau sie, als das Kleinkind an ihrer Jacke zerrt und das Baby in ihren Armen sich zur Decke zu strecken beginnt. »Jetzt passt es nicht so toll. Wie Sie sehen, wollten wir gerade gehen, und wir sind von Weihnachten noch ziemlich blank, sodass es wahrscheinlich ohnehin kein besonders guter Zeitpunkt zum Spendensammeln ist.«
»Wir wollen keine Spenden.«
Die Frau schafft es mit einer einzigen Bewegung ihrer zu stark gezupften Braue, gleichzeitig verwirrt, genervt und nervös zu wirken.
»Ich glaube, wir haben das falsche Haus erwischt«, sieht nun auch Amanda ein.
Die Frau nickt dankbar, nimmt ihr mittlerweile kreischendes Kleinkind in den freien Arm und trägt beide zappelnden Kinder die Treppe vor dem Haus bis zur Straße hinunter.
»Die war vor fünfundzwanzig Jahren offensichtlich noch nicht hier«, sagt Amanda und steuert die nächste Haustür an.
In den nächsten fünf Häusern ist die Geschichte jeweils mehr oder weniger die gleiche. Die Bewohner vermuten, dass Amanda ihnen entweder etwas verkaufen oder anderweitig Geld abknöpfen will, sodass der Empfang in etwa so frostig ausfällt wie die kühle Luft draußen. Ein Mann beschwert sich lautstark, dass er die Schnauze voll davon hätte, von den Zeugen Jehovas im Bad gestört zu werden, und knallt ihnen die Tür vor der Nase zu, bevor Amanda auch nur den Mund aufmachen kann. Keiner der Leute, mit denen sie tatsächlich sprechen, wohnt länger als zehn Jahre in der Straße, und niemand sieht auch nur vage vertraut aus.
»In wie vielen Häusern willst du es noch probieren?«, fragt Ben geduldig, als sie auf ein großes, von hohen weißen Säulen gerahmtes Backsteinhaus zu gehen.
»Noch ein paar auf dieser Straßenseite«, erklärt sie ihm.
»Und vielleicht noch ein paar auf der anderen.«
Ben bietet ihr seinen Arm an, um ein Stück Bürgersteig zu passieren, das noch nicht vom Schnee geräumt ist, aber Amanda rührt sich nicht vom Fleck. »Stimmt irgendwas nicht?«
Amanda starrt das alte Haus an, das ihr heute nicht weniger unheilvoll scheint als in ihrer Kindheit. Sie versucht, sich die Frau vorzustellen, die darin wohnt, hat jedoch nur noch das harsche Urteil ihrer Mutter im Ohr – sie ist eine echte Hexe auf Rädern.
»Amanda?«
Amanda atmet frische Entschlossenheit ein und stapft den ungeräumten Weg zum Haus hinauf. Ihre Mutter ist wahrlich nicht die größte Menschenkennerin der Welt. Außerdem hat das Haus in den letzten Jahrzehnten wie die meisten in der Straße wahrscheinlich mehrfach den Besitzer gewechselt. Als sie die Haustür erreicht hat, atmet sie ein weiteres Mal tief durch und drückt auf die Klingel.
»Wer ist da?«, ruft eine Frau von drinnen.
»Mein Name ist Amanda Travis«, ruft Amanda zurück.
»Ich wohne ein paar Häuser weiter. Ich wollte frage, ob ich Sie kurz sprechen kann.«
Die Tür geht auf, und vor Amanda steht eine Frau in modischer schwarzer Hose und einem korallenroten Pullover, die beringten Finger in ihre schmalen Hüften gestemmt. Sie ist zwischen sechzig und siebzig, und eine breite weiße Strähne teilt ihr kinnlanges ebenholzfarbenes Haar wie der Mittelstreifen einer Autobahn. Oder wie die Maserung eines Stinktiers, denkt Amanda, die die kühlen grünen Augen und die schmale patrizische Nase vage wiedererkennt. Mehrfach blickt sie auf der Suche nach möglichen Rädern verstohlen auf die Füße der Frau.
»Mrs. Thompson?«, fragt sie, als der Name überraschend mühelos aus der
Weitere Kostenlose Bücher