Tanz, Pueppchen, Tanz
Sean.«
»Auf Wiedersehen, Amanda.«
Amanda bleibt noch mehrere Minuten lang auf dem Bett ihrer Mutter liegen, den tränenfeuchten Hörer an ihre Wange geschmiegt. Die Entschuldigung bei Sean war lange überfällig. Genau wie die Entschuldigung, die sie Ben schuldet, auch wenn die bis zum Morgen warten muss, entscheidet sie, geht zurück in den Flur und spürt, wie die Wärme sie umfängt, die sich vom Kamin aus im Haus verbreitet hat. Hat sie das Schutzgitter wieder aufgestellt? Oder sprühen die Funken in diesem Moment bereits auf den Teppich? Sie rennt die Treppe hinunter ins Wohnzimmer und sieht schon die Schlagzeilen des nächsten Tages vor sich: Anwältin verbrennt im Haus der Mörderin. Und wie viele Leute würde das wirklich erschüttern?
In der Wohnzimmertür sieht Amanda als Erstes, dass das Schutzgitter an Ort und Stelle steht. Sie schiebt es zur Seite und stochert mit einem Schürhaken in der restlichen Glut.
»Was machst du da?«, fragt eine Stimme hinter ihr.
Amanda kreischt auf, lässt den Schürhaken fallen und fährt herum.
»Vorsicht«, sagt Ben, steht vom Sofa auf, bückt sich nach dem Schürhaken und hängt ihn wieder an den Ständer neben dem Kamin.
»Was machst du hier?«
»Ich versuche zu schlafen.« Ben weist auf das zerwühlte Kissen auf dem Sofa.
»Ich dachte, du wärst gegangen.«
»Tut mir Leid, Amanda. Ich war einfach nicht fahrtüchtig.«
»Wo ist der Wagen?«
»Ich habe ihn in die Garage gestellt.« Er räkelt sich und streicht sich die Haare glatt. »Aber jetzt bin ich wahrscheinlich nüchtern genug. Ich lass dich dann wohl besser allein.«
»Nein«, sagt Amanda rasch. »Ich will nicht, dass du gehst. Bitte – bleib.«
Der Widerschein der letzten Glut flackert über Bens Gesicht und macht seine Verwirrung offensichtlich. »Ich weiß nicht genau, ob ich das verstehe.«
»Ich glaube schon.«
Nach einer langen Pause gesteht er: »Du hattest Recht. Ich hab dich auflaufen lassen.«
»Ich weiß.«
»Ich habe es ehrlich nicht vorher geplant. Es hat sich einfach so ergeben.«
»Das macht nichts.«
»Wie meinst du das?« Sie machen langsam und zögernd ein paar Schritte aufeinander zu.
»Ich weiß nicht, wie ich das meine«, erklärt sie ihm. »Ich weiß nur, was ich will. Ich will dich. Und es muss auch nichts bedeuten. Es kann meinetwegen aus Rache sein, wenn du dich dann besser fühlst.«
»Aus Rache«, wiederholt er und beugt sich vor, um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen.
»Oder um der guten alten Zeiten willen.«
»Um der guten alten Zeiten willen.«
»Oder bloß etwas, was wir ein für alle Mal aus unserem System rauskriegen müssen«, sagt sie, während er den Kopf neigt, um sie seitlich auf den Mund zu küssen.
»Etwas, was wir aus unserem System rauskriegen müssen«, sagt er und küsst sie direkt auf den Mund.
»Ein für alle Mal«, wiederholt sie.
Und dann sagt niemand mehr etwas.
Als Amanda am nächsten Morgen um sieben Uhr aufwacht, ist Ben verschwunden.
»Verdammt«, sagt sie, wickelt die rosa Decke um sich, die er offensichtlich über sie gebreitet hat, als er gegangen ist, und steht vom Boden auf. »Verdammt.« Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und erinnert sich an Bens zärtliche Berührungen, seinen muskulösen Körper und daran, wie mühelos sie wieder zusammengefunden haben, als wären sie nie getrennt gewesen. Noch jetzt spürt sie seine leidenschaftlichen Stöße zwischen ihren Beinen und muss sich an der Sofalehne abstützen, um aufrecht stehen zu bleiben.
Was hat sie getan?
War nicht sie diejenige gewesen, die ihm erklärt hat, es müsse nichts bedeuten, sie könnten es auch aus Rache oder um der guten alten Zeiten willen machen, etwas, das sie ein für alle Mal aus ihrem System rauskriegen müssten? War sie vollkommen verrückt? Und musste er sie zum Teufel noch mal immer beim Wort nehmen? »Verdammt, Ben«, flüstert sie und hört ein lautes Klopfen an der Haustür. »Ben?« Sie rennt zur Tür und reißt sie auf.
Draußen steht Mrs. MacGiver in einem grünen Morgenmantel und kniehohen roten Gummistiefeln. »Ich komme wegen meines Tees«, sagt sie und scheint nicht zu bemerken, dass Amanda bis auf die rosafarbene Decke unbekleidet ist.
»Mrs. MacGiver …«
»Willst du mich nicht reinbitten?«
Amanda tritt einen Schritt zurück, um die alte Frau hereinzulassen. Im selben Moment hört sie, wie im ersten Stock die Dusche angeht. »Ben«, haucht sie und kämpft gegen den Drang an, ihre Decke von sich zu
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