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Tanz, Pueppchen, Tanz

Tanz, Pueppchen, Tanz

Titel: Tanz, Pueppchen, Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
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in die Dusche steigt und warmes Wasser aus dem überdimensionierten Duschkopf auf sich herabströmen lässt. Sie weiß, dass sie ihr Kostüm ruiniert. Genau wie den Teppich. Von ihrem Leben ganz zu schweigen, denkt sie melodramatisch, gießt sich fast eine ganze Flasche Shampoo über die Haare und gräbt die Nägel tief in ihre Kopfhaut.
    Na ja. Wie die Mutter, so die Tochter.
    Obwohl sie sich eigentlich nicht daran erinnern kann, dass ihre Mutter sich nach einem ihrer Gelage je übergeben hätte. Sie trank sich in die Selbstvergessenheit, um dort zu bleiben – distanziert und unerreichbar, körperlich präsent, aber emotional abwesend.
    Nach der Dusche zieht Amanda ihre nassen Kleider aus, rubbelt sich mit einem großen weißen Handtuch ab und kriecht ins Bett. Um den Teppich wird sie sich morgen kümmern, obwohl sie ihn im Grunde ohnehin nur zusammenrollen und wegschmeißen kann. Selbst nach einer professionellen Reinigung würde immer noch der Schatten einer formlosen rötlichen Pfütze unter der Oberfläche durchscheinen. Sie fragt sich, was der Direktor des Four Seasons Hotels in Toronto mit dem Teppich in seiner Lobby gemacht hat. Bei drei Kugeln spritzt eine Menge Blut. »Vielleicht sollte ich ihn anrufen und ihn fragen, wie er die Situation geregelt hat.«
    Amanda greift nach dem Telefon neben ihrem Bett und wählt die Nummer, von der sie noch gar nicht wusste, dass sie sie bereits im Gedächtnis abgespeichert hat.
    »Hallo?«, meldet sich am anderen Ende eine schläfrige Stimme.
    »Was haben sie mit dem Teppich gemacht?«
    »Amanda?«
    Sie stellt sich vor, wie Ben sich aufrichtet und mehrere lose Strähnen aus seinen verschlafenen Augen streicht. »Ich vermute, dass es eine Menge Blut gegeben haben muss«, fährt sie fort. »Ich habe mich bloß gefragt, was sie mit dem Teppich gemacht haben.«
    »Ich weiß nicht«, antwortet er, als wäre es vollkommen natürlich, um diese Tageszeit dieses Gespräch zu führen.
    »Wer zum Teufel ist John Mallins?«
    »Viele Details haben wir noch nicht.«
    »Was habt ihr denn?«
    »Wir wissen, dass er aus England kommt und hier mit seiner Frau und seinen Kindern Urlaub gemacht hat.«
    »Und in welcher Verbindung steht er zu meiner Mutter?«
    »So weit die Polizei feststellen konnte, in gar keiner.«
    »Willst behaupten, meine Mutter hätte einen wildfremden Menschen erschossen?«
    »Sieht ganz so aus.«
    Amanda lässt ihren Kopf zurücksinken. Das war ziemlich exzessiv, selbst für ihre Mutter. »War sie betrunken?«
    »Nein«, sagt Ben. »Du musst wirklich nach Hause kommen, Amanda.«
    Ohne sich zu verabschieden, legt Amanda auf, geht ans Fenster und starrt auf den Mond.

6
    Das Flugzeug von Palm Beach nach Toronto startet mit einer Stunde Verspätung.
    Amanda stößt einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie endlich die Startbahn hinunterrollen, dankbar, dass sie nicht mehr die Möglichkeit hat, schreiend den Mittelgang entlangzulaufen und zu rufen: »Ich hab’s mir anders überlegt. Lasst mich hier raus.« Was sie bestimmt getan hätte, wenn sie nicht ganz hinten in einer vollen 737 eingeklemmt zwischen einem Kaugummi kauenden Teenager und einem Geschäftsmann mittleren Alters gesessen hätte, der so vertieft in seinen Spionagethriller ist, dass er nicht einmal aufgeblickt hat, als sie über ihn geklettert ist, um auf ihren Sitz zu gelangen.
    Was Amanda auch nicht leiden kann: Mittelplätze in Flugzeugen, Mädchen, die laut Kaugummi kauen, ihn noch lauter knallen lassen und ihr langes glattes Haar über die Schultern werfen, sodass die Strähnen ihr Gesicht streifen; den formlosen schwarzen Wollmantel, den sie zum ersten Mal seit acht Jahren trägt und den sie schon damals hätte wegschmeißen sollen.
    Warum hat sie es nicht getan? Jeglicher Chic, den das Teil vielleicht einmal besessen hat, ist verschwunden, und außerdem kratzt der Stoff auf ihren nackten Oberarmen. Sie überlegt, den Mantel auszuziehen, aber in dem winzigen Raum, der ihr zugeteilt ist, bleibt kaum genug Platz zum Atmen, geschweige denn, Schichten von Kleidung abzulegen. Geschieht mir recht, denkt sie, während mehrere Haarsträhnen ihrer Nachbarin ihre Wange streifen. Ich hätte meinen Mantel ausziehen sollen, bevor ich mich hinsetze. Ich hätte das blöde Ding in den Müll werfen sollen, als ich Toronto verlassen habe.
    »Ich hätte überhaupt nie in diese verdammte Flugzeug steigen sollen«, sagt sie laut und blickt sich verlegen um. Aber das Mädchen am Fenster kaut ihr Kaugummi jetzt zum

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