Tanz, Pueppchen, Tanz
Sean verheiratet warst, hast du sie und ihren Mann alle paar Wochen getroffen. Und die andere Frau, die Seans Freund Bryce Hall geheiratet hatte? Wie hieß sie noch gleich? Edna, Emma, Emily? »Oh ja, Seans Freunde sind bestimmt alle ganz wild darauf, von dir zu hören.«
Warum denkt sie immer noch an Sean? Nur weil sie ihn beim Mittagessen zufällig getroffen hat? Er ist ihr auch schon früher unerwartet über den Weg gelaufen. Einmal vor ein paar Jahren im Kravits Center. Damals war er noch ziemlich verbittert, und obwohl sie bei ihrer Scheidung nichts von ihm verlangt hatte, tat er so, als hätte er sie nicht gesehen, und verschwand in der Herrentoilette, als sie auf ihn zuging, um ihn zu begrüßen. Sie hatte den Zwischenfall verdrängt und kaum noch daran gedacht. Wenn etwas vorbei war, war es vorbei und erledigt. Aus den Augen, aus dem Sinn. War das nicht immer ihr Motto gewesen?
Natürlich war da Jennifer noch nicht auf der Bildfläche erschienen. Jennifer mit der samtweichen hellbraunen Haut und den langen, glänzenden, schwarzen Haaren. Und guter Hoffnung.
Guter Hoffnung …
Fräuleins Bäuchlein, Fräuleins Bäuchlein, Fräuleins Bäuchlein.
Sind ihre Gefühle deshalb so durcheinander?
Das hätte ich sein können, erinnert sie sich. Ich war diejenige, die immer betont hat, keine Kinder zu wollen. Ich war diejenige, die gesagt hat, dass ich nicht zur Mutter bestimmt sei. Du wärst eine tolle Mutter, hatte Ellie ihr beim Mittagessen gesagt. Logo. Genau wie meine Mutter – eine Frau, deren mütterliche Instinkte sich nur auf zwei Arten zeigten: Gleichgültigkeit und Wut. Seltsamerweise war ihr die Wut immer lieber gewesen.
Amanda blickt wieder zu der Frau mit dem pinkfarbenen Twinset, die sie anlächelt, während sie weiter in ihr Handy spricht.
Als Amanda ihre Mutter zum letzten Mal gesehen hat, trug sie eine Bluse in beinahe dem gleichen Farbton. Ihr kurzes, honiggelbes Haar war frisch gewaschen und wie immer sauber frisiert. Amanda kann sich eigentlich überhaupt nicht erinnern, wann ihre Mutter einmal nicht so ausgesehen hätte, als käme sie direkt aus einem Schönheitssalon. Selbst wenn sie voller war als die sprichwörtliche Haubitze und über alles stolperte, saß ihre Frisur immer perfekt.
Was hat sie jetzt wieder gemacht?
Das betrifft mich wirklich nicht.
Wen hat sie umgebracht?
Das ist nicht mein Problem.
Sie ist deine Mutter.
Nicht mehr.
Amanda wischt das Bild ihrer Mutter mit der Hand beiseite, als würde sie eine lästige Fliege verscheuchen. »Können wir die Show jetzt bitte auf den Weg bringen?«, fleht sie die anderen Fahrer an, und tatsächlich nehmen die Fahrzeuge langsam Fahrt auf. »Danke«, sagt sie zu dem lächelnden Gesicht des Mondes.
Vierzig Minuten später ist sie zu Hause.
»Hi, Joe.« Sie winkt dem Portier zu.
»Haben Sie in dem Stau auf der Interstate 95 festgesteckt?«
»Und ob.«
»Im Radio haben sie gesagt, es hätte einen Unfall bei der Ausfahrt Riviera Beach gegeben.«
»Am Straßenrand standen noch Polizeiwagen«, berichtet Amanda.
»Erwarten Sie noch Besuch?« Er weist mit dem Kopf auf die Flasche in ihrer Hand.
Amanda spürt, wie sie innerlich versteift. Ist es bloß Neugier, die sie in seiner Stimme hört, oder ein abschätziges Urteil? »Heute Abend nicht.«
Er lächelt. »Na, dann einen schönen.«
»Ihnen auch.«
Er hat nur nichts sagende Konversation gemacht, beruhigt sie sich im Fahrstuhl und ist froh, dass die Fahrt in den 15. Stock ereignislos verläuft. Keine unnötigen Stopps. Keine ehemaligen Liebhaber. Keine argwöhnischen Ehefrauen. »Nur ich und meine Flasche«, erklärt sie dem leeren Flur, als die Fahrstuhltür aufgeht. Sie marschiert forsch zu ihrem Apartment in der Südwestecke des Gebäudes, wobei sie beinahe über ein Stück des hellbraun eingefassten, roten Teppichs stolpert, der sich von der bernsteinfarbenen Wand gelöst hat. Morgen muss sie den Hausverwalter anrufen und ihn bitten, einen Handwerker vorbeizuschicken, bevor sich jemand verletzt. Man will schließlich nicht, dass ein ehrgeiziger junger Anwalt wie sie selbst auf Schadensersatz klagt.
Andererseits sind private Schadensersatzklagen gar nicht mein Fachgebiet, denkt Amanda. Nein, ihr Fachgebiet ist die Verteidigung von brutalen Schlägern, die ihre Freundinnen verschlingen wollen. Ganz zu schweigen von Typen, die Fremde in einer Kneipe zusammenschlagen oder einen 7-Eleven-Supermarkt überfallen und ein paar unschuldige Passanten erschießen. Wenn der
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