Tanz, Pueppchen, Tanz
ich habe dir nie gesagt, wie schön du bist.
»Ich weiß nicht.«
Du siehst hinreißend aus. Die Farbe steht dir wunderbar.
»Es ist nur, dass nichts einen Sinn ergibt.«
Es tut mir Leid, dass ich dir eine so schlechte Mutter war, Amanda.
»Ich kann nicht einfach zurück nach Florida fliegen, Ben. Ich habe mir gerade erst all die Sachen gekauft. Wo soll ich die denn in Florida tragen?«
»Was?!«
Amanda beginnt, sich hilflos im Kreis zu drehen. »Irgendwas stimmt nicht mit meiner Mutter, Ben. Sie ist anders, und das weißt du.«
»Sie hat einen Mann erschossen, Amanda. Das kann im Kopf die seltsamsten Dinge anrichten.«
»Oder vielleicht hat sie schon etwas Seltsames im Kopf gehabt. Vielleicht hat sie einen Hirntumor. Daran haben wir nicht gedacht. Können wir einen Termin für eine Computertomographie machen?«
Ben blickt sehnsüchtig zum Ausgang und seufzt, als wollte er fragen: Warum habe ich mich nur auf das ganze Durcheinander eingelassen? »Ich kann es bei Gericht beantragen, aber ich bezweifle, dass deine Mutter zustimmen würde, und ohne ihre Einwilligung …«
»Die sie, wie du genau weißt, nicht geben wird …«
»… sind uns die Hände gebunden.«
»Scheiße.« Der Fluch hallt lauter als beabsichtigt zwischen den Wänden wider und die Flure hinunter.
Ben blickt sich nervös um. »Okay, hör mal. Warum trinken wir nicht irgendwo einen Kaffee?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fasst er ihren Ellenbogen und führt sie durch den Seitenausgang über die Straße in das kleine Café, wo sie am Tag zuvor Mittag gegessen haben.
»Wir müssen herausfinden, wer dieser Turk ist«, sagt Amanda wenig später und beißt in ein Preiselbeermuffin.
»Er ist der Schlüssel zu allem.«
»Und wie sollen wir das deiner Meinung nach anstellen?«
»Ich habe keinen Ahnung.« Amanda starrt ihren Ex-Mann über den Tisch hinweg an und spürt, wie sich ein Lächeln in ihre Mundwinkel schleicht.
»Worüber grinst du?«
»Ich bin es bloß nicht gewöhnt, dich in einem Anzug zu sehen.«
»Und wie lautet das Urteil?«
»Steht dir«, sagt Amanda mit einem breiter werdenden Grinsen.
Ben schüttelt den Kopf. »Wer hätte das gedacht«, stimmt er den mittlerweile fast vertrauten Refrain an.
»Wer hätte das gedacht«, antwortet sie wie ein Echo. »Was hat dich überhaupt dazu bewogen, Anwalt zu werden?«
»Ganz ehrlich?«
»Wenn du glaubst, dass ich die Wahrheit verkrafte.«
»Ich wollte schon immer Anwalt werden.«
»Was? Das hast du mir nie erzählt.«
Er zuckt die Achseln. »Es war mir zu peinlich. Ich meine, ich war der klassische zornige junge Mann mit der ganzen ›Denn sie wissen nicht, was sie tun‹-Pose, da konnte ich doch schlecht Anwalt werden wie mein Vater. Gott bewahre. Und was will ich tief drin wirklich werden?«
»Ein Anwalt wie dein Vater«, antwortet Amanda.
»Genau.«
»Wie geht es deinem Vater?«
»Großartig. Er ist gerade in Paris. In den Flitterwochen, um genau zu sein.«
»In den Flitterwochen?«
»Meine Mutter ist vor fünf Jahren gestorben«, erklärt Ben. »Krebs.«
»Das tut mir Leid. Das wusste ich gar nicht.«
»Woher auch? Wir haben im Laufe der Jahre ja nicht direkt Kontakt gehalten.«
Amanda nippt an ihrem Kaffee, verbrennt sich den Mund und wünscht sich, dass die Taubheit ihres Gaumens sich auf den ganzen Körper ausbreiten würde. »Standet ihr euch nahe?«
Er nickt. »Wir sind uns im Laufe der Zeit näher gekommen.«
»Du meinst, ihr seid euch näher gekommen, nachdem ich die Stadt verlassen hatte.«
»So ungefähr«, gibt er zu.
»Sie war ja nicht direkt einverstanden mit mir, wenn ich mich recht erinnere.«
»Sie fand bloß, dass wir zu jung waren.«
»Mutter weiß, was das Beste ist«, sagt Amanda und schüttelt den Kopf. »Das aus meinem Mund, kaum zu glauben.«
»Vielleicht weiß sie es wirklich am besten«, kommt Ben übergangslos von seiner wieder auf ihre Mutter zu sprechen. »Vielleicht ist es das Beste, sie in Ruhe zu lassen.«
»Das kann ich nicht.«
»Es könnte noch schlimmer werden, Amanda.«
Amanda lacht, ein schmerzhafter Laut, der die Luft zerhackt wie eine Machete. »Und wen hat dein Dad geheiratet? Irgendjemanden, den ich kenne?«
»Ob du’s glaubst oder nicht, ja.« Ben trinkt seinen Kaffee aus und macht der Kellnerin ein Zeichen, dass er nachgeschenkt haben möchte. »Erinnerst du dich an Mrs. Mac-Mahon? Elfte Klasse, Geschichte?«
»Das ist nicht dein Ernst?«
»Ihr Mann ist etwa zur selben Zeit gestorben wie meine Mutter.
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