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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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das ist eine Mischung aus Rotwein und Champagner. Wird gern getrunken in Berlin. Sie sind nicht von hier?«
    »Ich weiß, was eine Rote Ente ist. Aber ich bin keine von denen.« Sie wies in Richtung der Prostituierten.
    Er lachte. »Das ist mir bewusst. Kommen Sie!« Er bot ihr seinen Arm an.
    Es ist sowieso alles zerbrochen, dachte sie. Kurz zögerte sie noch, dann hakte sie sich unter und ließ sich in Richtung der Kneipen ziehen.
    Durch den Türspalt fiel Licht in Samuels Zimmer und zeichnete einen hellen Keil auf das Bett. Matheus setzte sich auf die Bettkante.
    Samuel sagte: »Du hast gelogen, Papa, das darf man nicht.«
    »Kannst du deshalb nicht schlafen?«
    Samuel nickte.
    »Wann hab ich denn gelogen?«
    »Am Nachmittag. Als Mama dich nach der Post gefragt hat.«
    »Das Telegramm meinst du.« Er sah ins dunkle Zimmer. »Ich habe ihr nichts davon gesagt, weil deine Mutter mir sonst die Hölle heiß gemacht hätte. Sie will unbedingt, dass ich für die Amerikafahrt zusage.«
    »Trotzdem darf man nicht lügen.«
    »Du hast recht«, sagte Matheus. »Es wird nicht mehr vorkommen.« Schon das war die nächste Lüge, dachte er. Er überlegte, ob er sich korrigieren sollte.
    »Mama hat mir gesagt, dass es gar nicht gefährlich ist, mit einem Schiff zu fahren.«
    Natürlich sagt sie das, dachte er, sie hat noch nie eine Havarie erlebt.
    »Wie funktioniert eigentlich Gaslicht?«, fragte Samuel.
    »Wie eine Kerze.«
    »Und wo kommt das Gas her?«
    »Aus dem Gaswerk. Dort wird Kohle verbrannt. Dadurch erzeugt man Gas. Das säubert man von Giftstoffen, und dann fließt es durch die Rohre in die Häuser.«
    »Und das Gift? Was macht man mit dem Gift?«
    »Aus dem Gift werden Färbemittel hergestellt«, sagte Matheus. »Oder etwas, das man für Kühlschränke braucht. Baumaterial für Straßen macht man auch daraus.«
    »Und wie schickt man das Gas zu den Leuten ins Haus?«
    Er dachte nach. Durch den Druck vielleicht, wie beim Wasser? »Gas ist leicht«, sagte er, »leichter als Luft. Deswegen steigt es in den Leitungen auf. Wenn das Gaswerk in einer Senke liegt, kann das Gas von dort in die Häuser fließen, es fließt aufwärts, verstehst du?« Sicher steckte noch etwas anderes dahinter. Das musste er einmal nachlesen.
    »Früher hatten wir noch Gaslicht, als ich klein war, richtig?«
    »Ja, und jetzt haben wir elektrischen Strom, weil es moderner ist.« Er zog ihm die Bettdecke zurecht. »Du solltest schlafen.«
    »Darf ich dich noch eine Sache fragen? Bitte!«
    »In Ordnung.«
    Samuel schwieg, er lag still im Bett. Schließlich sagte er mit leiser Stimme: »Wie findet man einen Freund?«
    Matheus hielt den Atem an. Der Kleine klang so verletzlich! Er streichelte Samuel das Gesicht. »Das kann man nicht erzwingen, es muss sich ergeben. Ist denn unter den Nachbarsjungen keiner, mit dem du gern spielst?«
    »Die hänseln mich. Und sie spielen andauernd Soldaten, das mag ich nicht.«
    »In der Schule, in deiner Klasse, ist da kein Vernünftiger?«
    »Da behandeln sie mich wie Luft. Außerdem, was soll ich mit denen? Die haben sich Gucklöcher in die Wand vom Schlachthaus gebohrt und schauen zu, wie die Tiere sterben. Die lachen über das Blut und das Ersticken!«
    »Sie lassen dich einfach stehen und reden nicht mit dir?«
    »In der Schule ist es wie auf dem Exerzierplatz«, sagte Samuel. »Weißt du noch, du hast mich auf den Schultern getragen, und wir haben den Übungen zugesehen.«
    »Ja, das weiß ich noch.«
    »Genauso ist es in der Schule. Das musst du dir mal vorstellen: Wir sollen uns gerade hinsetzen, und wenn der Lehrer sagt: ›Steht – auf!‹, dann müssen wir aufstehen, aber erst, wenn er ›auf‹ sagt. Und wenn er sagt: ›Setzt – euch!‹, dann setzen wir uns hin, aber erst, wenn er ›euch‹ sagt. Und die Schiefertafel müssen wir hervorholen, alle gleichzeitig auf Kommando, und die Hände auf dem Tisch ablegen.«
    »Na ja, ein bisschen Disziplin schadet nicht.«
    »Warum mögen alle die Soldaten? Und warum marschieren so oft welche, wenn wir in der Stadt sind?«
    »Die ziehen zu irgendeiner Zeremonie oder zu einer Parade«, sagte Matheus.
    In Wahrheit hatte er sich diese Frage auch schon oft gestellt. Weshalb sah man immer mehr Soldaten in den Straßen? Bereitete sich das Reich auf einen Krieg vor? In der Bevölkerung wünschten sich das viele. Das Deutsche Reich war stark geworden, und die Menschen begeisterten sich für das Militärische. Die Deutschen respektierten jede mit Metallknöpfen

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