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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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einer Zigarette. »Wenn du die Arbeit nicht hinkriegst«, sagte er, »schicke ich dich zur Küste, Kriegsschiffe beobachten. Ich kann in Berlin nur gute Leute gebrauchen.«
    »Zweihunderttausend Berliner wie letztes Jahr, das wird nicht leicht«, sagte der andere. Er war ein aus Belgien stammender Graveur, den der britische Secret Service unter dem Decknamen T13 führte. »Wir hatten zwanzig Parteifunktionäre und Gewerkschafter mit im Boot, sogar Karl Liebknecht. Sie werden Verdacht schöpfen, wenn ich schon wieder loslege. Eine Friedensdemonstration von solchen Ausmaßen –«
    »Wir haben keine Zeit mehr«, unterbrach ihn der Engländer. »Ich wittere den Krieg, er liegt in der Luft. Sie haben einen ›Deutschen Wehrverein‹ gegründet, hier in Berlin, um das Volk kampfbereit zu machen und Kriegsbegeisterung zu wecken. Warum hast du das nicht gemeldet?«
    Der Graveur schluckte. »Ich dachte, du weißt schon davon. Den Vorsitz hat General August Keim, der zuvor schon im Deutschen Flottenverein –«
    »Ich verlasse die Stadt, muss einen dicken Fisch angeln. Wenn du nicht schleunigst was zustande bringst, T13, dann ersetzen wir dich.«
    »Ich schaffe das schon«, beteuerte T13. »Kann nur sein, dass die nächste Demonstration etwas kleiner ausfällt.«
    Lyman musterte den Belgier scharf. Schließlich griff er in die Innentasche, zog einen Umschlag mit Geldscheinen heraus und übergab ihn. »Du bist hier, um den Kampfeswillen der Bevölkerung zu schwächen und uns über Kriegspläne zu informieren. Ich will jede Woche eine Erfolgsmeldung haben. Hast du das verstanden?«
    »Ich werde dich nicht enttäuschen. Wie gebe ich Meldungen nach London weiter, wenn du fort bist?«
    »Du wirfst sie weiter in den Briefkasten an der Bäckerei. Wer sie abholt, das lass meine Sorge sein.«
    T13 runzelte die Stirn. »Du hast noch weitere Agenten in Berlin?«
    »Ich muss Informationen gegenprüfen.« Lyman stieß Zigarettenrauch aus. Das Erstaunen des Graveurs erfüllte ihn mit Genugtuung. »Geheimdienstprinzip. Ich muss sichergehen, dass du mir keinen Unsinn erzählst.«
    »Und wenn der Krieg ausbricht? Es wird extrem gefährlich werden, Dinge auf Papier festzuhalten. Die feindlichen Agenten müssen mich nur einmal mit so einem Zettel erwischen, und sie blasen mir das Licht aus. Ist was dran an dem Gerücht, dass der Chef für uns ein Fahrzeug mit einer Funkeinheit ausstattet, dass wir eine Art mobilen Sender kriegen?«
    »Der Chef in London kann dir egal sein. Du arbeitest für mich.«
    »Sie werden unsere Codierung knacken.«
    »Deswegen hast du die Chemikalien.«
    »Die Tinte wird sichtbar, wenn sie das Papier über Ioddampf halten. Wird nicht lange dauern, bis sie das herausgefunden ha ben.«
    Lyman griff nach dem Umschlag.
    »Schon gut«, lenkte T13 ein und zog ihn rasch zurück. »Ich kneife nicht. Ich liefere Ergebnisse.«
    Lyman nahm einen langen Zug von der Zigarette, bis sie zum glühenden Stummel verschmort war. Dann warf er sie zu Boden. »Das rate ich dir.« Er ließ den Subagenten stehen. Mit großen Schritten entfernte er sich entlang der Gaswerkmauer.
    Dem, der mindestens vierundzwanzig Stunden vor der deutschen Mobilmachung eine Warnung nach London gab, winkten fünfhundert Pfund Prämie. Aber es gab Dinge, die musste T13 nicht erfahren. Im Moment gab es Wichtigeres zu tun. Allem Anschein nach waren die Deutschen noch nicht ganz so weit, ihm blieben einige Wochen, um die entscheidende Quelle anzuzapfen. Dass in Europa ein Krieg ausbrechen würde, daran zweifelte niemand mehr. Die Frage war nur, wer am Ende den Sieg davontragen würde.

8
    Die Reise war ein Reinfall. Niemand in Paris sprach Deutsch. Man schüttelte böse den Kopf, wenn sie etwas in ihrer Muttersprache fragte, oder zuckte die Achseln. Selbst die Polizei weigerte sich, ihr zu helfen.
    Anfangs war sie noch voller Hoffnung gewesen. Ihrem ersten Eindruck nach wussten die Pariser Tanz und freie Künste zu schätzen. Die Menschen waren feiner gekleidet als in Berlin. Manche Damen liefen in hochhackigen Schuhen und weißen Federboas herum, bei anderen schien der Orient gerade hoch im Kurs zu sein: Sie trugen fließende Gewänder und einen Turban. Einige Frauen, Europäerinnen, flanierten sogar im asiatischen Kimono die Boulevards entlang.
    Wenn sich die Menschen in Paris so extravagant kleideten, mussten sie auch Sinn für anspruchsvolle Tänze haben. Womöglich konnte Nele sogar ihr heimliches Steckenpferd aufleben lassen, den orientalischen Tanz.
    Sie sah

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