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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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durch das Schiff, an lachenden Passagieren vorbei, ging durch verglaste Drehtüren. Er spazierte unter einem Kristalldach entlang, beschienen vom warmen Sonnenlicht, obwohl er im Schiffsinneren war, und fand einen Raum mit Gewichthebemaschinen, Rudermaschinen, Fahrrädern und mechanischen Pferden. Ein dicker Mann trat keuchend in die Pedale eines Fahrrads, ohne dass es sich vom Fleck bewegte. Nur die roten und blauen Zeiger der weißen Fahrraduhr kreisten.
    Auf einem elektrischen Kamel und einem elektrischen Pferd saßen je ein schlanker junger Mann, sie wurden rauf und runter geschwungen und gaben ein komisches Bild ab. Das war verrückt: Sie fuhren über den Ozean, was an sich schon ein Wunder war, und dabei taten diese Männer so, als würden sie durch eine Landschaft reiten.
    Ein Versteck fand er nicht. Die Diebesgüter brannten auf seinem Leib, er hatte das Gefühl, dass jeder ihm ansah, was er transportierte. Hatte der Schiffsjunge nicht gesagt, dass nur ein Teil der Kabinen belegt war? Dann musste es leere, unbenutzte Räume geben, in die auf der Fahrt niemand hineinsehen würde. Wenn er doch nur Schlösser knacken könnte wie Adam!
    Ihm taten bereits die Füße weh, und er hatte Durst. Am Ende der Scotland Road entdeckte er eine spiralförmige Treppe, die in die Tiefe führte. Bestimmt hatten sie die Kabinen von oben nach unten gefüllt, jeder wollte doch lieber oben wohnen, wo man mehr sah und die Motoren nicht hörte. Dann konnte es sein, dass er unten den unbenutzten Teil des Schiffs finden würde. Samuel stieg hinab.
    Er betrat eine Lagerhalle, in der ein Automobil parkte, umgeben von Kisten und Säcken. Das Auto war neu, sein roter Lack schimmerte. In der Halle aber roch es wie in einem Keller. Das konnte das passende Versteck werden!
    Angespannt lauschte er. Jemand war dort, da waren Geräusche. Er schlich zum Ausgang auf der anderen Seite. Durch eine angelehnte Tür sah er Postsäcke, Hunderte davon, und fünf Männer, die Briefe sortierten. Einer von ihnen sah hoch und blickte ihn an, sagte etwas. Samuel hastete zurück zur Treppe. Rauf oder runter? Kamen sie ihm nach?
    Er stieg hinab bis zum letzten Geschoss. Ein langer dunkler Gang erwartete ihn, an dessen Ende es beständig stampfte und rumpelte. Samuel tastete sich an der Seite des Gangs voran. Die Korridore der Crew sahen schäbig aus im Vergleich zu den Fluren der Passagiere, ihre Türen waren mit dicken Nieten versehen. Kohlenstaub drang ihm in die Nase.
    Er spähte voran in eine große Halle, ohne das Halbdunkel des Gangs zu verlassen. Da waren Öfen, so groß wie Häuser. Männer mit rußigen Gesichtern schaufelten Kohle in die Flammen. Über den Öfen zischten Kessel. Der Dampf trieb die Motoren an.
    Niemand beachtete ihn, die Männer waren damit beschäftigt, Kohle zu schippen und die Kolben zu schmieren, sie arbeiteten unentwegt, wie stumme Sklaven der Maschinen. Er schlich sich aus dem Gang und drückte sich links an der Wand entlang. Am ersten Ofen tastete er sich vorbei, er machte kleine Schritte, bis er hinter den zweiten Ofen gelangt war. Hitze stach ihn ins Gesicht, seine Haare stellten sich auf. Hier ging bestimmt niemand hin. Samuel zog die glitzernden Beutestücke aus seinen Taschen, holte auch die Uhr und die Ketten unter dem Hemd hervor. Er schob sie zu einem kleinen Haufen an der Wand zusammen und fegte den Kohlenstaub darauf, der fingerdick den Boden bedeckte. Bald war nichts mehr vom Gold zu sehen. Ein herumliegendes Stück Kohle legte er daneben, um sich die Stelle zu merken.
    Hoffentlich hatten sie Adam nicht gefangen. Er musste ihn suchen gehen und ihm sagen, wo die Sachen lagen, damit er sie mit von Bord nehmen konnte. Samuel schlich sich hinaus und stieg die Wendeltreppe hinauf, bis er im E-Deck war. Die schwarzen Hände seifte er sich in einem Waschraum der dritten Klasse ein und spülte sie sauber. Er folgte der Scotland Road. An den Zwischentüren lauschte er. Schloss der Dieb gerade eine auf, wechselte er die Welten, von der ersten Klasse in die dritte, von der Park Lane zur Scotland Road? Crewmitgliedern, die ihm entgegenkamen, schaute Samuel mutig ins Gesicht, er hatte ja keinen Schmuck mehr bei sich, niemand konnte ihm etwas nachweisen.
    Er stieg im Heck der Titanic nach oben und fand sich inmitten einer Menschentraube wieder. Er drängelte sich durch, bis er an der Reling stand. Möwen segelten so dicht vorüber, dass er meinte, sie greifen zu können.
    »Entschuldigung«, fragte er eine Frau, »können Sie mir

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