Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
Vom Netzwerk:
liebe Gott erhalte ihn recht viele Jahre noch!«
    Was, wenn dem Jungen etwas zugestoßen war? Man hörte schreck liche Berichte, es gab gewissenlose Menschen. Sie hätte ihn nicht in der Bibliothek allein lassen dürfen. Das hatte sie doch nur getan, um sich unauffällig nach dem Engländer umzusehen! Ich bin eine Rabenmutter, dachte sie. Ich bin die schlechteste Mutter der Welt.
    »Samuel?«, rief sie. War sie hier nicht schon gewesen? Dieses Schiff war das reinste Labyrinth. Sie stieß eine Tür auf und bremste sofort ab. Das musste ein Café für die erste Klasse sein. An den Wänden standen Kentia- und Chamaeropspalmen in Eichenholzkübeln. Unverkennbar sollte das Café eine Oase der Ruhe bieten, nur leises Rascheln von Seidenkleidern und dezentes Klappern von Teegeschirr und Kuchentellern waren zu hören, dazu das sanfte Raunen der Gespräche.
    Schon wollte sie die Tür wieder schließen, da sah sie den Engländer an einem der Fenster stehen. Er war allein, und er hielt sich ein Fernglas vor die Augen. Was beobachtete er da draußen? Die Fenster reichten vom Boden bis zur Decke, sie boten einen guten Ausblick.
    Cäcilie zog sich leise zurück. Sie ging zur Reling, weit genug weg von den Fenstern. Für die Menschen, die sich hier entspannten, hätte er kein Fernglas gebraucht. Sah er aufs Meer hinaus? In seiner Blickrichtung lagen zwei Kriegsschiffe vor Anker. Andere belustigten sich, tranken Tee, lasen und plauderten. Er beobachtete Kriegsschiffe. Sonderbar.
    Cäcilie kehrte zurück ins Café. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, sie musste ja ihren Sohn suchen. Ich rede nur kurz mit Lyman, dachte sie, dann suche ich weiter. Während sie sich dem Briten von hinten näherte, schlug ihr das Herz bis in den Hals hinauf. Würde er erschrecken, sie hier zu sehen? Sich freuen? Sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten. Das wollte sie nicht, sie wollte gefasst aussehen.
    Immer noch blickte er durch das Fernglas aus dem Fenster. Als sie hinter ihm stand, sagte er, ohne sich umzudrehen: »Schön, dass Sie da sind, Cäcilie.«
    Offenbar war es unmöglich, diesen Mann zu überraschen. Er tauchte auf, wo er wollte, und er hatte seine Augen überall. Sie sagte: »In Berlin habe ich geglaubt, wir würden uns nie wiedersehen.«
    »Das hätte ich bedauert.« Der Engländer nahm das Fernglas herunter und drehte sich zu ihr um. »Manchmal reagiert man ungehalten, wenn man eine Sache noch nicht kennt. Ich war es nicht gewohnt, abserviert zu werden, wie Sie es mit mir in Berlin getan haben. Aber der Ärger hat sich irgendwann gelegt, und ich habe Sie vermisst.«
    Sie schluckte. »Sind Sie deshalb hier? Sie buchen eine Reise nach Amerika, um mich zu sehen?«
    »Ich würde Sie gern heute Abend zum Essen in die erste Klasse einladen. Es wird Ihnen an nichts fehlen, Hummer, Pâté de Foie gras, Ochsenzunge, Austern …«
    »Soweit ich weiß, ist es nicht erlaubt, dass ich als Passagierin aus der zweiten Klasse –«
    »Lassen Sie das meine Sorge sein. Ich kümmere mich darum. Davon abgesehen: Auch das Palm Court Café ist der ersten Klasse vorbehalten, und es hat Sie offensichtlich niemand daran gehindert, hierherzukommen.«
    »Was ist mit der Frau, die Sie an Deck umarmt haben?«
    »Die kann Ihnen nicht das Wasser reichen, und das wissen Sie.« Er lächelte.
    »Spielen Sie nicht mit mir!« Zu ihrem Entsetzen stellte Cäcilie fest, dass ihre Hände zitterten.
    »Sie werden sehen, ich bin kein Mann, der spielt. Nehmen Sie meine Einladung an?«
    »Ich kann nichts versprechen. Matheus ist heute krank, vielleicht will er in der Kabine bleiben. Aber wenn er das Abendessen nicht ausfallen lässt, muss ich mit ihm und Samuel in den Speisesaal der zweiten Klasse gehen. Können wir uns nicht außerhalb der Essenszeiten verabreden und an einem weniger öffentlichen Ort?«
    »Schämen Sie sich für mich?«
    »Ich bin verheiratet, das wissen Sie doch.«
    »Treffen wir uns hier, heute Abend, sieben Uhr. Ich geleite Sie an den Tisch.«
    Er war ein geschmeidiger Jäger, der sie, ihre Beute, umpirschte. Sein unnachgiebiger Wille machte ihr Angst. Aber er weckte auch eine lustvolle Sehnsucht in ihr.

12
    Erst bestahlen sie Multimillionär Chaffee in Kabine E31, dann Colonel John Weir. Adam zog sich mit Samuel in eine Bettwäschekammer zurück und zeigte ihm die Beutestücke. »Dieser Weir ist durch seine Silberminen reich geworden. Wir nehmen ihm nur ein wenig von dem Zeug weg, das er mit seinem Silber gekauft hat, mit welchem Recht gehört das ihm?

Weitere Kostenlose Bücher