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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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von Luigi Gatti, der das À-la-carte-Restaurant betreibt. Sein Onkel hat ihm den Schlüssel besorgt, damit er ohne größere Umwege zur Arbeit erscheinen kann. Wahrscheinlich hat der Bursche sich bis heute nicht getraut, Gatti zu gestehen, dass er den Schlüssel verloren hat.«
    »Hat er ihn denn verloren?«
    Adam grinste. »Er glaubt es zumindest.«
    »Du hast ihn –«
    »Bevor wir die Gräfin von Rothes besuchen«, unterbrach er ihn, »habe ich noch eine Aufgabe für dich. Wenn du die große Treppe runtergehst, findest du im Schutzdeck das Büro von Hugh McElroy, dem Purser.«
    »Aber da kann ich nicht hin.«
    »Du sagst, du hast dich verlaufen.«
    »Die sprechen doch kein Deutsch!«
    »Umso besser. Guck einfach verwirrt und bleib nirgendwo zu lange stehen, bis du beim Purser bist. Dort beobachtest du ein paar Sachen für mich.«
    Samuel sah an seiner Kniehose hinunter, den Strümpfen. Seine Schuhe waren abgestoßen und rissig. »Man sieht gleich, dass ich nicht zur ersten Klasse gehöre.«
    »Hör mir zu. Beim Purser lassen Passagiere Dinge wegschließen oder holen Schmuck aus dem Safe, weil sie ihn fürs Dinner anziehen wollen. Merk dir, wo McElroy die Schlüssel hintut und wer noch da ist und wo er die Liste hat, auf der er notiert, von wem was im Safe ist.«
    »Wenn Sie den Safe ausgeraubt haben, wird sich Herr … Meckelroi … an mich erinnern, und dann werden sie mich drannehmen.«
    Doch von einer solchen Gefahr wollte Adam nichts wissen. Er redete, als würde Samuel bloßen Hirngespinsten aufsitzen. Bald wusste Samuel nicht mehr, ob er seinen großen Freund wegen seiner Kaltblütigkeit bewundern oder fürchten sollte. Er blieb unschlüssig, und Adam wurde ärgerlich. »Entweder man ist bei einer Sache dabei, oder nicht. Wir sind doch Freunde, dachte ich! Willst du mich hängen lassen?«
    »Ich passe wieder an der Tür auf, wenn Sie in die Kabinen gehen, ja? Das mit dem Safe ist zu gefährlich. Der wird bestimmt bewacht.«
    »Eben deshalb schicke ich dich hin: damit du das rausfindest. Willst du mich ins offene Messer laufen lassen? Na also. Geh hin und finde heraus, wie die Lage ist.«
    Samuel zögerte und schüttelte den Kopf.
    »So eine Memme bist du?«
    Adam löste sich von der Reling und machte Anstalten zu gehen. »Deinen Fraß kannst du in Zukunft für dich behalten. Ich versorge mich selber.«
    »Warten Sie!« Samuel schluckte. Er war es leid, als Feigling dazustehen. So war es ja schon immer in Berlin. »Ich mach’s. Ich gehe dahin.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich trau’s mir zu.«
    Adam schlug ihm anerkennend auf die Schulter. »Am besten gehst du gleich. Wir haben nur noch vier Tage, um das Ding durchzuziehen.«
    »Im Safe sind bestimmt besonders wertvolle Sachen. Wenn Sie die gestohlen haben, wird die Schiffsmannschaft Sie jagen wie einen Bankräuber. Hoffentlich schießen sie nicht.«
    »Von dem Schmuck nehme ich nicht so viel. Hauptsächlich hab ich’s aufs Bargeld abgesehen. Ein Bündel weniger, das merken die erst beim Zählen, und dann denken sie, sie haben in der Liste einen Fehler gemacht, oder der Purser wird verdächtigt.«
    Ein Unschuldiger würde für den Diebstahl verantwortlich gemacht werden? Bis zu diesem Tag hätte sich Samuel nicht vorstellen können, an einer solchen Ungerechtigkeit mitzuwirken. Aber er wagte es nicht, erneut gegen Adam aufzubegehren.
    »Nun geh schon«, sagte der Dieb. »Du bist ein Kind! Sie werden dir nicht die Ohren abschneiden.«
    Feine Herrschaften spazierten die Treppe der ersten Klasse hinunter, Damen mit eleganten Handschuhen und Männer im Frack. Selbst die Kinder sahen aus wie Erwachsene. Die Mädchen trugen helle, gebauschte Kleider, die Jungen Westen und lange Hosen. Jeder hier würde erkennen, dass er, Samuel, zu den Ärmeren gehörte.
    Neben einer Wanduhr standen, wunderbar ins Holz geschnitzt, zwei Engel. Ihre Flügel gefielen ihm. Gern hätte er sie näher be trachtet, aber Adam hatte ihm eingeschärft, nirgends stehen zu bleiben.
    Im Schutzdeck verließ er die teppichweichen Treppenstufen. Eine Gruppe von Leuten sammelte sich vor einem Schalter aus dunklem Holz wie in einer Bank. Ein Mann bediente sie. Das musste der Purser sein.
    Er besaß das Gesicht einer Bulldogge. Die fülligen Wangen hingen etwas herab, und aufmerksame kleine Äuglein sahen die Menschen an, die ihm ihre Schätze anvertrauten. Er nahm Schmuck entgegen, gab Ringe und Kettchen heraus, blausamtene Schachteln, rotseidene Säckchen und suchte, wenn man ihn fragte, in einer

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