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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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abgelaufen und die Lampe erloschen war, war er zu faul gewesen, den Hahn der Lampe zu schließen. Cäcilie kam nach ihm heim und warf wieder ein Geldstück in den Münzgaszähler ein. Ungehindert war das Gas in sein Zimmer geströmt, und er hatte es im Schlaf eingeatmet. Hätte sie ihn nicht geweckt, wäre er womöglich gestorben. Kurz darauf waren sie umgezogen in ihre jetzige Wohnung, die über elektrischen Strom verfügte.
    In diesem Augenblick trat Nele ein. »Habe mir gedacht, dass Sie das sind«, sagte sie.
    Er stand auf. Hatte er auf Neles Bett gesessen? »Sie hatten recht. Die haben unsere Kabine auf den Kopf gestellt. Natürlich haben sie nichts gefunden.«
    »Wie überraschend.«
    »Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Es war nicht richtig, Sie …«
    »… zu verpfeifen? Allerdings.«
    »Und ich wollte mit Ihnen noch mal über Gott reden. Was Sie da erlebt haben, hat Sie verletzt und wütend gemacht, aber glauben Sie mir, Gott ist anders, als Sie meinen.«
    Sie verzog belustigt die Mundwinkel. »Und Sie wissen das, ja?«
    »Es ist mein Beruf, das zu wissen.«
    »Ihre Arroganz verblüfft mich immer wieder. Sie haben Gott dabei, in einer kleinen Streichholzschachtel in Ihrer Tasche?«
    »Spotten Sie nicht.«
    »Sie sind es doch, der Gott verspottet! Wie können Sie als kleiner Mensch behaupten, den wilden, ungezähmten Gott verstanden zu haben? Das würde ja bedeuten, dass er nicht schlauer sein kann als Sie.«
    »Gott will verstanden werden. Darum hat er Jesus Christus auf die Erde geschickt.«
    »Ach was. Jesus Christus war ein Mensch wie Sie und ich.«
    »Da bin ich anderer Meinung. Er hat zum Beispiel gesagt: Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.«
    »Wenn die Überlieferungen stimmen.«
    »Natürlich, wenn sie stimmen.« Matheus sah sie an, ihr rundes Gesicht, die grünen Augen. Sie trug einen Jumper aus heller Wolle, eines dieser modernen Kleidungsstücke, die man einfach über den Kopf zog, ohne Knöpfe oder Haken. Cäcilie trug nie so etwas, sie verachtete Jumper als Kleidung der einfachen Leute. Aber wenn man jahrelang nur Blusen sah, war ein Jumper eine schöne Abwechslung. Er stand Nele gut.
    »Sind Sie deshalb hergekommen?«, fragte sie. »Sie wollen mich missionieren? Vergessen Sie’s! Ihr Gott will mich gar nicht haben. Ich bin Varietétänzerin!«
    »Das ist ja das Verrückte. Gott ist heilig, nicht wahr? Man würde erwarten, dass sein Sohn Jesus Christus sich auf der Welt für die Edlen und Wahrhaftigen starkgemacht hätte. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Herr des Universums wurde unter Armen geboren. Er hat mit Huren gegessen und ist in Gesellschaft von Räubern gestorben. Er hat gesagt, er sei für die Kranken gekommen, nicht für die Gesunden.«
    »Schön, dass Sie von Ihrer Sache so überzeugt sind. Ich bin es nicht, das müssen Sie akzeptieren. Jesus hat gebetet, nicht wahr? Mit wem hat er da gesprochen – mit sich selbst? Diese ganze Dreieinigkeitsgeschichte, Vater, Sohn und heiliger Geist, das kann doch keiner verstehen. Ich hab auch keine Lust, mich mit Ihnen darüber zu streiten. Wir streiten uns jedes Mal, wenn wir uns sehen, fällt Ihnen das auf?«
    Ja, das stimmt, dachte Matheus. Aber sie hatte schöne Wimpern, und ihre Augen glänzten.
    Natürlich ärgerte sie sein Versuch, sie zu bekehren. Menschen, die in engen Kästchen dachten, hatten Nele schon immer aufgeregt, und bei Matheus Singvogel war es nicht anders. Aber sie spürte, dass es ihm ernst war mit dem, was er sagte; er spielte keine Rolle, er posierte nicht. Und während ihre Bekanntschaften in Berlin meist auf das rasche Vergnügen aus gewesen waren, wollte Matheus sie für die Ewigkeit retten. Dieser Wunsch berührte sie.
    Er ist verheiratet, ermahnte sie sich, und er kümmert sich liebevoll um seinen kleinen Sohn. Im Tender, der sie auf die Titanic gebracht hatte, war ihr die Familie schon aufgefallen, und sie hatte gesehen, wie geduldig er auf seinen Sohn einging.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Frau und Ihrem Sohn«, sagte sie. »Kommen Sie, setzen Sie sich aufs Bett. Ich beiße nicht.«
    Er setzte sich. »Leider bin ich nicht immer der Vater, der ich sein sollte. Andere gehen mit ihren Söhnen angeln oder bauen einen Drachen und lassen ihn steigen. Manche zimmern sogar ein Baumhaus. Ich dagegen arbeite die meiste Zeit. Nicht dass Samuel sich beschweren würde, er beklagt sich nie. Trotzdem weiß ich, er bekommt nicht, was ihm zusteht.«
    »Und Ihre Frau?«
    »Cäcilie. Sie ist anders als

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