Tanz unter Sternen
kennenlernen? Dort können Sie sich entspannen.«
»Entspannen, unbedingt entspannen.«
Die Frau führte sie zu einem Bett, das mit einer Haube bedeckt werden konnte. An der Unterseite der Haube waren Dutzende Glühbirnen angebracht. Cäcilie legte sich aufs Bett, und die Bademeisterin klappte die Haube herunter. Nun war nur noch ihr Kopf frei. Nachdem die Bademeisterin die Lampen eingeschaltet hatte, ließ sie Cäcilie allein.
Die Wärme der Lampen tat ihren müden Gliedern gut. Sie musste an die hitzigen Gefühle denken, die sie vorgestern Abend mit Lyman geteilt hatte, und das Gespräch danach. Wie offen er zu ihr gewesen war, welch erniedrigende Erfahrungen er preisgegeben hatte! Und jetzt schenkte er ihr dieses wundervolle Erlebnis im Türkischen Bad. Es war eigentlich Passagieren der ersten Klasse vorbehalten, aber er hatte es geschafft, dass sie nicht nur hereingelassen, sondern auch noch mit äußerster Zuvorkommenheit behandelt wurde.
Zum Dank dafür würde sie ihm das Herz brechen.
Sie hatte sich immer einen Mann wie ihn gewünscht. Unter denen, die sie umworben hatten, war nie einer von diesem Format gewesen. Der Schicklersohn, den Vater ihr aufzuzwingen ver sucht hatte, betrachtete eine Frau nur als Schmuck für seine Bankkarriere. Die anderen waren entweder alt, hässlich oder auf eine tollpatschige Art unfähig gewesen, Gefühle der Zuneigung in ihr zu wecken.
Sie konnte die Absage verschieben und Lyman erst einmal danken. Das Schiff war ein Ausnahmeort, die Reise währte kurz genug. War die Affäre nicht sowieso zu Ende, wenn die Titanic am Mittwoch in New York eintraf? Das waren nur noch vier Tage. Wenn sie es Matheus verschwieg, wäre es für ihn nicht schlimm. Er war misstrauisch geworden, aber dass sie sich Lyman schon hingegeben hatte, das überstieg seine Phantasie. Er konnte ja nicht wissen, dass sie sich bereits in Berlin kennengelernt hatten.
Du weißt, dass es falsch ist, hörte sie ihre Mutter sagen. Du tust ihm weh. Ihm und Samuel.
Samuel! Nein, er durfte nicht das gleiche Schicksal erleiden wie sie in ihrer Kindheit. Er sollte mit einer Mutter aufwachsen, auf die er sich verlassen konnte. Er sollte nicht in der Angst groß werden, dass seine Eltern sich trennen würden.
Sie fühlte sich wunderbar matt und sinnlich nach den Stunden im Türkischen Bad und verließ es mit einem Anflug von Traurigkeit. Diesen Luxus würde sie nie wieder erleben.
Unvermittelt fuhr sie zusammen: An der Treppe stand Lyman. Er sah sie ruhig an. »Hat es dir gefallen?«
»Ich wusste gar nicht, dass es das alles gibt, Dampfbad und Salzwasserpool und Lichtbank. Sogar im elektrischen Bad war ich. Hast du die ganze Zeit auf mich gewartet?«
»Die Bademeisterin hat mich angerufen. So war es mit ihr abgesprochen.«
»Angerufen? Wie geht das?«
»Ich habe ein Telephon auf dem Zimmer. Man kann auf dem Schiff überallhin telephonieren. Natürlich nicht nach draußen.«
Sie standen still da und sahen sich an. Um Cäcilies Herz formte sich ein Mantel aus flüssigem Zucker, er tränkte das Herz.
Lyman sagte: »Ich muss dir etwas beichten.«
Zog er einen Schlussstrich unter die Affäre? Würde er sie fortschicken? Ihr Körper spannte sich an.
»Das Telegramm vom Moody Institute aus Amerika … Das war in Wahrheit ich. Ich habe dafür gesorgt, dass ihr hier seid.«
18
Sonnenfunken glitzerten auf dem Wasser. Der Wind war kalt, er schnitt in die Haut und erfrischte.
Der Kleine beugte sich über die Reling. Er sagte: »Stell dir vor, Papa, wenn wir kein Schiff wären, sondern ein Zeppelin!«
Matheus verstand nicht.
»Siehst du, da unten? Sie winken!« Samuel winkte zum Wasser hin. »Wir müssten Bonbons haben, um sie ihnen auszustreuen, das wäre toll.«
Jetzt begriff er. Samuel wollte mit ihm in eine Märchenwelt reisen. »Auf keinen Fall«, sagte er. »Da verletzen wir jemanden. Besser wäre es, wir würden Blumen werfen. Schau, ich schütte einen Korb Blumen über die Reling. Natürlich keine Rosen, nur Blumen ohne Dornen.« Er tat so, als würde er einen Korb hinüberhieven und ihn ausleeren.
Samuel war entzückt. »Die Blumen segeln zur Erde runter. Und die da unten jubeln.« Er drehte sich zu den Ankerketten der Titanic um, deren Enden über das vordere Deck gespannt waren. »Das sind unsere Luftanker. Wenn wir über einem Wald anhalten wollen, werfen wir sie aus und haken uns an den Bäumen fest.«
»Und was machen wir, wenn wir weiterfliegen wollen?«
»Dann klettert einer runter und macht die
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