Tanz unter Sternen
schließen.«
»Du verstehst nicht, Papa.« Sein Gesicht war ernst. »Sie hakt sich bei ihm unter. Sie sieht ihn verliebt an.«
Etwas Langes, Spitzes stach ihn in seinem Inneren. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er.
»Glaubst du, dass sie in die Bibliothek geht?«
Würde sie so dreist lügen? Damals, als sie mit dem Journalisten gegessen hatte, hatte sie es getan. Aber sie hatten sich doch versöhnt, er hatte ihr Freiraum gegeben und sie hatte ihn um Verzeihung gebeten!
Er musste an letzte Nacht denken. Was, wenn ihr aus Reue die Tränen gekommen waren, weil sie eine Affäre mit diesem Journalisten begonnen hatte? Dass sie so schlimm weinte, nur weil ein weiterer Ehestreit zwischen ihnen ausgebrochen war, fiel ihm schwer zu glauben.
»Soll ich ihr nachgehen?«, bot Samuel an. »Ich gucke nur, ob sie wirklich in die Bibliothek geht.«
»Du bleibst hier!«, sagte er streng. »Ich sehe nach. Ich werde ihr sagen, dass du auch ein Buch wolltest, was für eines möchtest du denn?«
»Tiere.«
Matheus öffnete leise die Tür und spähte hinaus. Er sah noch, wie Cäcilie zur Treppe einbog. Na also. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Die Bibliothek der zweiten Klasse befand sich im Schutzdeck, eine Etage über ihnen. Deshalb nahm sie nicht den Aufzug. Es war ja kein weiter Weg.
Trotzdem war er nicht vollständig beruhigt, und so folgte er ihr und sah von unten den Treppenschacht hinauf. Ihre Hand wanderte das Geländer entlang. Cäcilie musste in Gedanken sein, sie ging langsam. Er blinzelte. Das wäre das Schutzdeck gewesen, aber sie ging weiter. Wollte sie hinaus auf die Promenade, frische Luft schnappen? Er folgte ihr, stieg die Treppe hoch. Tatsächlich, sie ging im Promenadendeck nach draußen.
Er trat hinter ihr hinaus. Der Himmel war bewölkt, ein rostroter Schimmer überzog die Wolken. Zwischen ihnen zeigte sich tiefes Abendblau. Die kalte Luft weckte ihn aus seinem Albtraum. Cäcilie tat doch nichts Böses, sie genoss die Schiffsreise wie er, sie wollte sich nur das Meer ansehen.
Jetzt spazierte sie an der Reling entlang. Ein Steward öffnete eine kleine Hintertür und ließ Cäcilie eintreten. Matheus fuhr zusammen. Wohin ging sie? Er eilte ihr nach.
»First class only« , sagte der Steward.
»Das ist meine Frau«, brachte er heraus, kaum fähig, die Zähne auseinanderzukriegen, geschweige denn, englisch zu sprechen. Er bemühte sich. »Sie hat einen Liebhaber in der ersten Klasse.«
»Ist sie verheiratet?« Der Steward stutzte.
»Mit mir, ja.«
»Ich lasse Sie rein. Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich es war.«
»Wem? Dem Engländer? Er hat Sie bezahlt, damit Sie Cäcilie hier durchlassen?«
»Beeilen Sie sich.« Er hielt ihm die Tür auf.
Matheus stürzte hindurch. Er fand sich in einem länglichen Raum wieder, in dem alles weiß war: die Korbstühle, die Tische, die Wände. Nur einige Efeupflanzen, die sich über die Wände rankten, und die jungen Leute, die an den Tischen saßen und sich mit Kaffee und Vanilleeclair bedienen ließen, gaben dem Raum Farbe und Leben.
Am anderen Ende des Cafés ging Cäcilie durch eine offen stehende Tür hinaus. Matheus folgte ihr und gelangte in einen großen Raum mit Sesseln. Damen und Herren standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich. Wo war Cäcilie? Eine Schwingtür bewegte sich noch leicht. Durch die Bullaugen erblickt er sie in einem Korridor.
Er eilte zur Tür. Als er sie öffnen wollte, erstarrte er. Cäcilie war stehen geblieben, und der Journalist lächelte ihr zu. Er neigte sich zu Cäcilie hinunter, küsste sie. Kurz darauf verschwanden die beiden in einer Kabine.
Wie Feuer fuhr es ihm durch den Körper. Feuer Feuer Feuer. Er hielt den Atem an, er zitterte, es hörte nicht auf, das Feuer verbrannte ihn schier von innen. Er drehte sich um. Halb blind tappte er zwischen den Menschen hindurch, stieß gegen einen Sessel, flüsterte eine Entschuldigung. Er fand ins Café. In seiner Verwirrung riss er eine Tasse vom Tisch, sie zerbarst und Kaffee ergoss sich auf den Boden. Die Gäste entrüsteten sich. Er taumelte weiter. Irgendwie gelangte er nach draußen.
»Es tut so weh«, flüsterte er zu sich selbst. Alles, was ihm wertvoll gewesen war, brach in Stücke. In seiner Brust war ein fürchterliches Reißen.
Der Journalist war der gut aussehende Mann, den sich Cäcilie immer gewünscht hatte, einer, der es zu etwas gebracht hatte. Er hingegen war ein Schlappschwanz. Jeder andere hätte sofort die Kabine gestürmt und den Ehebrecher zum Duell
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